Harter Schnitt
Nachricht von Boyds Tod hatte sie aus der Fassung gebracht. Sie hätte wissen müssen, dass Will die Ermittlungen in dem Fall wiederaufnehmen würde.
Faith sagte: » Ich sollte diese Leitung offen halten, falls jemand anruft.«
» Okay.«
Sie legte auf, weil sie nichts mehr zu sagen hatte. Er glaubte noch immer, dass ihre Mutter schuldig war. Obwohl er nun schon fast zwei Jahre mit Faith arbeitete und sah, dass sie alles richtig machte, weil sie die Art Polizistin war, zu der ihre Mutter sie erzogen hatte, dachte Will noch immer, dass Evelyn Mitchell Dreck am Stecken hatte.
Zeke fragte von der Tür aus: » Wer war das?«
» Arbeit.« Sie stand von der Couch auf. » Mein Partner.«
» Das Arschloch, das versucht hatte, Mom ins Gefängnis zu stecken?«
» Genau der.«
» Ich verstehe noch immer nicht, wie du mit diesem Wichser arbeiten kannst.«
» Ich habe es mit Mom geklärt.«
» Du hast es nicht mit mir geklärt.«
» Hätte ich die Anfrage nach Deutschland oder nach Florida schicken sollen?«
Er starrte sie nur an.
Faith hatte nicht vor, sich vor ihrem Bruder zu rechtfertigen. Amanda war es gewesen, die sie gebeten hatte, Wills Partnerin zu werden, und Evelyn hatte Faith gesagt, sie müsse tun, was das Beste für ihre Karriere sei. Sie musste nicht extra darauf hinweisen, dass es keine schlechte Idee sei, wegzukommen vom Atlanta Police Department, wo Evelyns erzwungenes Ausscheiden entweder als elegante Lösung oder als Verbrechen betrachtet wurde, je nachdem, wen man fragte. » Hat Mom je mit dir über die Ermittlung gesprochen?«
» Solltest du das nicht deinen Partner fragen?«
» Ich frage dich«, blaffte Faith. Evelyn hatte sich geweigert, den Fall mit ihr zu diskutieren, und nicht nur, weil Faith als potentielle Zeugin infrage hätte kommen können. » Falls sie was gesagt hat, vielleicht sogar etwas, das nicht ganz koscher war, du dir aber damals nichts dabei gedacht hast…«
» Mom redet mit mir nicht über ihre Arbeit. Das ist deine Aufgabe.«
In seiner Stimme schwang wieder dieser Vorwurf mit, als hätte Faith die Macht, ihre Mutter zu finden, und weigerte sich einfach, sie auszuüben. Faith schaute auf die Uhr an der Wand. Es war fast neun, zu spät, um dieses Gespräch weiterzuführen. » Ich gehe ins Bett. Ich schicke Jeremy mit ein paar Decken herunter. Die Couch ist ziemlich bequem.«
Er nickte, und Faith salutierte ironisch. Sie war schon halb die Treppe oben, als er noch sagte: » Er ist ein guter Junge.« Faith drehte sich um. » Jeremy. Er ist ein guter Junge.«
Sie lächelte. » Ja, das ist er.« Sie stand schon fast auf dem Absatz, als er noch eine Provokation vom Stapel ließ.
» Mom hat gute Arbeit geleistet.«
Sie schluckte den Köder nicht, sondern ging einfach weiter. Sie schaute nach dem Baby. Emma schmatzte, als Faith sich über sie beugte, um sie auf die Stirn zu küssen. Sie befand sich in diesem tiefen, seligen Schlaf, den nur Babys kennen. Faith kontrollierte das Babyfon, um sicherzugehen, dass es auch eingeschaltet war. Sie strich mit der Hand über Emmas Arm und ließ ihre winzigen Finger einen der ihren umklammern, bevor sie das Zimmer verließ.
Jeremys Bett im Zimmer daneben war leer. Faith blieb kurz an der Tür stehen. Sie hatte sein Zimmer nicht verändert, obwohl es schön wäre, wenn sie ein Büro hätte. Seine Poster hingen noch an der Wand– ein Mustang GT mit einer Blondine im Bikini auf der Motorhaube, ein Camaro mit einer halb nackten Brünetten sowie zwei Konzeptstudien von Autos, jeweils mit dem unvermeidlichen großbusigen Model. Faith konnte sich noch gut an den Tag erinnern, als sie von der Arbeit nach Hause kam und seine Poster von » Brücken der südöstlichen Vereinigten Staaten « ersetzt fand durch diese Schmuckstücke. Jeremy glaubte noch immer, er habe ihr mit diesem cleveren Trick weismachen können, die Pubertät habe bei ihm ein plötzliches Interesse an Automobilen geweckt.
» Ich bin hier.«
Sie fand ihn in ihrem Zimmer. Jeremy lag auf dem Bauch, den Kopf am Fußende des Betts, die Füße in der Luft, sein iPhone in den Händen. Der Fernseher war leise gedreht, doch die Videotext-Untertitel liefen.
Sie fragte: » Alles okay?«
Er kippte das iPhone in seinen Händen, spielte offensichtlich ein Videospiel. » Ja.«
Faith dachte an seine fruchtbare Freundin. Es war merkwürdig, dass sie nicht hier war. Normalerweise waren die beiden wie an der Hüfte zusammengewachsen. » Wo ist Kimberley?«
» Wir machen gerade eine
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