Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Harter Schnitt

Harter Schnitt

Titel: Harter Schnitt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Slaughter
Vom Netzwerk:
aussehender Reporter stand vor dem Georgia Diagnostic and Classification Prison. Die meisten Eingeweihten nannten es nur das D&C, und so wurde dieses Kürzel auch zum Synonym für den Todestrakt Georgias. Sara hatte den Bericht über die beiden Ermordeten schon vorher gesehen und zu der Zeit gedacht, was sie auch jetzt dachte: Das war noch ein Grund, warum man sich nicht mit Will Trent einlassen sollte.
    Er arbeitete an Evelyn Mitchells Fall. Er war heute wahrscheinlich nicht einmal in der Nähe dieses Gefängnisses gewesen, aber in dem Augenblick, als Sara die Geschichte mit dem ermordeten Beamten sah, hatte ihr das Herz bis zum Hals geschlagen. Auch nachdem der Name des Mannes und auch der des toten Insassen genannt worden waren, wollte sich ihr Herz nicht beruhigen. Dank Jeffrey wusste Sara, wie es sich anfühlte, wenn mitten in der Nacht unerwartet das Telefon klingelte. Sie erinnerte sich gut, wie sich bei jeder Nachrichtenmeldung, jedem Fitzelchen eines Gerüchts ihre Eingeweide verkrampften vor Angst, dass er einen neuen Fall in Angriff nehmen und dabei sein Leben aufs Spiel setzen würde. Es war eine Form des Posttraumatischen Stresssyndroms. Erst als ihr Mann nicht mehr da war, hatte sie erkannt, dass sie all diese Jahre in Furcht gelebt hatte.
    Es klingelte. Billy knurrte halbherzig, aber keiner der Hunde sprang von der Couch. Sara drückte auf die Gegensprechanlage. » Ja.«
    Will sagte: » Hi, tut mir leid, ich…«
    Sara ließ ihn herein. Sie holte die Autoschlüssel von der Arbeitsfläche und öffnete die Wohnungstür einen Spalt. Sie würde ihn nicht hereinbitten. Sie würde nicht zulassen, dass er sich für Angies Worte entschuldigte, weil Angie Trent jedes Recht hatte zu sagen, was sie dachte, und, wichtiger noch, weil sie einige richtige Dinge gesagt hatte. Sara würde Will einfach sagen, es sei nett, ihn zu kennen, und ihm viel Glück wünschen bei der Krisenbewältigung mit seiner Frau.
    Der Aufzug brauchte ewig. Auf der Digitalanzeige sah sie, dass er aus der vierten Etage ins Erdgeschoss hinabfuhr. Es dauerte eine weitere Ewigkeit, bis der Aufzug wieder anfing hinaufzuklettern. Sie flüsterte laut: » Drei, vier, fünf«, und schließlich verkündete die Klingel den sechsten Stock.
    Die Tür glitt auf. Will spähte hinter einer Pyramide aus zwei Aktenkartons, einem weißen Styroporbehälter und einer Tüte mit Donuts von Krispy Kreme hervor. Die Windhunde, die Sara immer erst zum Abendessen zu bemerken schienen, liefen hinaus, um ihn zu begrüßen.
    Sara fluchte leise.
    » Tut mir leid, dass ich so spät komme.« Er drehte sich, damit Bob ihn nicht umstieß.
    Sara packte beide Hunde bei den Halsbändern und hielt die Tür mit dem Fuß auf, damit Will hereinkommen konnte. Er schob die Kartons auf ihren Esszimmertisch und fing sofort an, die Hunde zu streicheln. Sie leckten ihn wie einen lange vermissten Freund, die Schwänze wedelten, und die Krallen klackerten über den Holzboden. Saras Entschlossenheit, die vor Sekunden noch so stark gewesen war, bekam bereits Risse.
    Will schaute hoch. » Waren Sie schon im Bett?«
    Ihrer Stimmung angemessen, hatte sie eine alte Jogginghose und ein Football-Trikot der Grant County Rebels angezogen. Ihre Haare waren so straff am Hinterkopf zusammengefasst, dass die Haut im Nacken spannte. » Hier sind Ihre Schlüssel.«
    » Danke.« Will wischte sich Hundehaare von der Brust. Er trug noch dasselbe schwarze T-Shirt wie am Nachmittag. » Hey.« Er zerrte Bob zurück, der es auf die Krispy Kremes abgesehen hatte.
    » Ist das Blut?« Auf dem rechten Ärmel seines Shirts war ein dunkler, getrockneter Fleck. Instinktiv fasste Sara nach seinem Arm.
    Will trat einen Schritt zurück. » Das ist nichts.« Er zog den Ärmel nach unten. » Es gab heute im Gefängnis einen Vorfall.«
    Sara spürte das vertraute, enge Gefühl in der Brust. » Sie waren dort.«
    » Ich konnte nichts tun, um ihm zu helfen. Sie vielleicht…« Er beendete den Satz nicht. » Der Gefängnisarzt meinte, es sei eine tödliche Wunde. Da war viel Blut.« Er umklammerte das Handgelenk mit der anderen Hand. » Ich hätte das Hemd wechseln sollen, als ich nach Hause kam, aber ich habe viel zu tun, und mein Haus sieht im Augenblick ziemlich chaotisch aus.«
    Er war also zu Hause gewesen. Ohne Grund gestattete Sara sich einen Augenblick lang den Gedanken, dass er seine Frau gar nicht gesehen hatte. » Wir sollten über das reden, was passiert ist.«
    » Na ja…« Er schien sie absichtlich missverstehen

Weitere Kostenlose Bücher