Harter Schnitt
überleben? Sie hat bereits vor Ort stark geblutet.«
» Kommt darauf an. Stunden, vielleicht Tage. Triage kann einem etwas Zeit erkaufen, aber schon eine knappe Woche wäre ein Wunder.«
» Was dagegen, wenn ich esse, während Sie schreiben?« Er öffnete den Styroporbehälter. Sie sah zwei durchweichte Hotdogs in Chili-Sauce. Er schnupperte und runzelte dann die Stirn. » Schätze, der Kerl an der Tankstelle wollte sie aus einem bestimmten Grund wegwerfen.« Dennoch nahm er einen der Hotdogs.
» Wagen Sie es ja nicht.«
» Ist wahrscheinlich noch gut.«
» Setzen Sie sich.« Sie holte eine Bratpfanne aus dem Schrank und eine Packung Eier aus dem Kühlschrank. Will setzte sich an die Theke gegenüber des Edelstahlherds. Der Styroporbehälter stand neben ihm. Bob schnupperte daran, wich dann aber zurück.
Sie fragte: » Sollte das wirklich Ihr Abendessen werden– zwei Hotdogs und ein Krispy Kreme Donut?«
» Vier Donuts.«
» Wie sieht Ihr Cholesterin aus?«
» Ich nehme an, es ist weiß, wie man es in der Werbung sieht.«
» Sehr witzig.« Sie wickelte den Styroporbehälter in Alufolie und warf ihn in den Mülleimer. » Warum glauben Sie, dass Faith’ Mutter nicht entführt wurde?«
» Das habe ich so nicht gesagt. Ich denke nur, dass eine ganze Menge Fakten einfach nicht zusammenpassen.« Er sah zu, wie Sara Eier in eine Schüssel schlug. » Ich glaube nicht, dass sie freiwillig weggegangen ist. Das würde sie ihrer Familie nicht antun. Aber ich kann mir vorstellen, dass sie ihre Entführer kennt. So als hätten sie früher mal eine Arbeitsbeziehung gehabt.«
» Inwiefern?«
Er stand auf und ging zum Esstisch, wo er aus einer der Schachteln eine Handvoll gelber Ordner holte. Er schnappte sich die Tüte Donuts, bevor er sich wieder an die Küchentheke setzte. » Boyd Spivey«, sagte er, schlug den obersten Ordner auf und zeigte ihr ein Verbrecherfoto.
Sara kannte den Namen und das Gesicht aus den Nachrichten. » Das ist der Mann, der heute im Gefängnis umgebracht wurde.«
Will nickte und öffnete den nächsten Ordner. » Ben Humphrey.«
» Noch ein Polizist?«
» Ja.« Er öffnete eine dritte Akte. Auf der Innenseite des Deckels klebte ein gelber Stern. » Das ist Adam Hopkins. Er war Humphreys Partner.« Eine weitere Akte, diesmal mit einem purpurroten Stern. » Das ist Chuck Finn, Spiveys Partner, und dieser Kerl…« Er öffnete die letzte Akte. Grüner Stern. » …ist Demarcus Alexander.« Er hatte noch einen vergessen. Er ging zum Tisch zurück und holte einen gelben Ordner. Auf dem klebte ein schwarzer Stern, was prophetisch wirkte, als er hinzufügte: » Lloyd Crittenden. Starb vor drei Jahren an einer Überdosis.«
» Alles Polizisten?«
Will nickte, während er sich einen halben Donut in den Mund schob.
Sara goss die Eier in die Pfanne. » Was entgeht mir?«
» Evelyn Mitchell war ihre Chefin.«
Sara hätte die Eier beinahe danebengeschüttet. » Faith’ Mutter?« Sie trat näher und betrachtete die Gesichter der Männer. Sie zeigten alle dieselbe arrogante Kopfhaltung, als wären ihre augenblicklichen Probleme nur eine Banalität. Sie überflog Spiveys Verhaftungsbericht, versuchte, ihn trotz der Tippfehler zu entziffern. » Diebstahl im Verlauf der Verübung einer Straftat.« Sie blätterte um und las die Details. » Spivey gab den Befehl an sein Team aus, von jedem bei einer Drogenrazzia beschlagnahmten Geldbetrag von mehr als zweitausend Dollar zehn Prozent einzubehalten.«
» Da kam einiges zusammen.«
» Wie viel?«
» Soweit die Buchhaltung das einschätzen konnte, stahlen sie im Verlauf von zwölf Jahren ungefähr sechs Millionen Dollar.«
Sie pfiff leise.
» Das ist knapp eine Million pro Mann, steuerfrei. War es zumindest eine Zeit lang. Ich bin mir sicher, das Finanzamt hatte sie sich an ihrem ersten Tag im Gefängnis vorgeknöpft.«
Auch gestohlenes Geld war zu versteuerndes Einkommen. Die meisten Insassen bekamen ihren Bescheid vom Finanzamt in ihrer ersten Woche im Gefängnis.
Sara schaute sich die erste Seite des Verhaftungsberichts an und stutzte bei einem vertrauten Namen. » Sie waren der ermittelnde Beamte.
» Das ist in meinem Job nicht gerade meine Lieblingsbeschäftigung.« Er schob sich den Rest des Donuts in den Mund.
Sara schaute in die Akte und tat so, als würde sie weiterlesen. Jeder Polizeibericht, den sie je gelesen hatte, war gespickt mit Grammatik- und Rechtschreibfehlern. Wie die meisten Legastheniker betrachtete Will die
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