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Hartland

Hartland

Titel: Hartland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Buescher
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wie seine Gesten flossen langsam dahin. Früher, sagte er, sei er oft in die großen Städte gefahren, nun habe er genug davon. Ich fragte ihn nach seinem Leben als Rancher. «Rancher.» Er grinste. «Sie wissen ja, was man sagt: viel Land, kein Geld.»
    Sein Blick fiel auf das Bündel auf dem Sitz neben mir, das Tuch war halb herabgerutscht, der Lauf schaute hervor. Er sagte nichts. Ich sagte: «Es ist wegen der großen Katzen, die Sie hier haben. Ich gehe viel zu Fuß.» Auch dazu sagte er nichts, aber ich sah ihm an, daß er es merkwürdig fand. «Was die Katzen angeht» – er wies zum Cheyennefluß   –, «die kommen bis hierher aus den Bergen von Montana, sie folgen dem Fluß. Sie mögen Maultierhirsche, Pferde, auch kleine Kinder, wenn sie eins kriegen.»
    «Auch Männer?»
    «Ja. Keine gute Idee, sie da draußen zu treffen ohne eine Waffe. Passen Sie auf sich auf.» Nun nickte er doch noch zu meinem Bündel hin. «Das Ding ist ganz schön alt, was? Und jetzt entschuldigen Sie mich, ich muß los.» Er tippte an seinen weißen Hut und fuhr los.
    Das tat ich auch und beschloß, das Ding bald auszuprobieren und meine Schießübungen, die ich vernachlässigt hatte, wiederaufzunehmen.
    Ein paar Bier mit dem Geist von Crazy Horse
    Mitch saß am Tresen der «Wagon Wheel Bar»
,
als ich eintrat, um die Wirtin nach einem Bett für die Nacht zu fragen. Sie hatte keines. Auch sonst gab es keine Herberge in dem winzigen Ort. Ich hätte weiterfahren können, noch war die Sonne nicht untergegangen, aber der nächste erreichbare Ort war eine Siedlung im Reservat der Oglala-Sioux und die Chance, dort ein Bett zu finden, noch geringer.
    Außerdem gefiel es mir hier. Das spanische Licht dieses Abends gefiel mir, die schummrige Bar und ihre gutherzige Wirtin – und der Name des Ortes: Interior in den Badlands. Am meisten aber gefiel mir, daß Interior mit seinen fünfzig Einwohnern und seiner «Wagon Wheel Bar» mit den wenigen schweigsamen Gästen auf dem Grund eines präkolumbianischen Meeres lag. Nach tagelanger Fahrt durch Prärie und nichts als Prärie war ich heute an deren jähes Ende gelangt. Die Erde riß auf, das ebene Grasland brach ab, schroff, unerwartet. Ich hielt an der Bruchkante, und was sich dort unten erstreckte, waren die Badlands. Felsufer, Klippen, scharf aufragende Riffe umrahmten ein weißes, sandiges Tiefland – einen Meeresgrund, nur das Meer war verschwunden. Da hinunterzufahren, war eine Tauchfahrt. Ich war auf dem Grunde Amerikas angekommen und hatte sein Innerstes gefunden, sein Interior.
    Ein junger, schlaksiger Mann betrat die «Wagon Wheel Bar». In seinen Cowboystiefeln, mit seinem weißen Cowboyhut stand er unschlüssig da, und ich fragte mich, von welcher Plattenhülle ich diese leicht gebogene Silhouette kannte. Er bat die Wirtin, den Ton des Fernsehers abzustellen. «Ich will Musik, kein Baseball. Cowboymusik.» Sie reichte ihm die Fernbedienung über den Tresen. Er kam damit nicht zurecht. Sie half ihm. Dann stand der Cowboy vor der Musikbox, eine ganze Weile, ohne eine Taste zu drücken, und wandte sich schließlich an Mitch: «Hilf mir, mach schon. Ich will diese verdammte Musik hören, aber ich weiß einfach nicht, in welcher Stimmung ich bin.»
    Mitch sagte «Oh boy» und nahm einen Schluck aus seinem Glas. Er trank immer das gleiche, die Wirtin rührte es extra für ihn an, dazu stellte sie ihm ein neues kleines Wasserglas hin, sobald das vorige leer war. Mitchs Getränk hatte die Farbe der Badlands, ein sandiges Blaßgelb. Auch er war wie ein Cowboy gekleidet, aber ganz in Schwarz. Stiefel, Hose, Jacke, alles war schwarz, auch der Cowboyhut mit der Adlerfeder im Band. Mitch war nicht weiß. Seine Augen und seine Haut waren dunkel und seine Schultern doppelt so breit wie die des weißen Jungen an der Musikbox, der sich immer noch nicht entschließen konnte, in welcher Stimmung er war und welches Lied dazu paßte.
    Mich ignorierte Mitch, obwohl ich die ganze Zeit neben ihm an der Bar stand. Gäste kamen und gingen, mit dem einen oder anderen trank er etwas und riß derbe Witze. So schaukelte der Abend dahin, langsam wie eineBallade. Ein neuer Gast kam herein, ein hagerer Mann, der von der Wirtin als Pat begrüßt wurde und in seiner ölverschmierten Latzhose als Mechaniker zu erkennen war. Er schien ein Freund von Mitch zu sein, denn der erzählte ihm gleich zur Begrüßung einen dreckigen Witz. «Hör auf», schrie Pat, «ich bin gerade Junggeselle.»
    Kurz darauf sah ich, daß

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