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Hartland

Hartland

Titel: Hartland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Buescher
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Mitch einfach nur höflich gewesen war und mich, den Fremden, nicht hatte stören wollen. Er hatte gewartet, bis mir die Wirtin mein Essen gebracht und ich mein Steak aufgegessen und meinen Kaffee getrunken hatte. Als ich den Teller zurückschob, fragte er: «Wo willst du hin?»
    Ich sagte ihm, ich sei unterwegs nach Süden.
    Er nickte, es interessierte ihn anscheinend nicht. «Fährst du nach Wounded Knee?»
    «Kann sein, ich weiß noch nicht.»
    «Hast du nun was für die Nacht?»
    «Noch nicht.»
    «Kannst bei mir schlafen, ich hab da draußen ein Haus.»
    Wounded Knee. Der Ort des bekanntesten Kavalleriemassakers an den Sioux lag südlich von hier, am anderen Ende der Badlands. Ob ich dort hinfuhr, war alles, was er von mir wissen wollte. Ich war nicht sicher gewesen, nun stand es fest, der schwarze Cowboy neben mir an der Bar war Indianer. Von Indianern, die Cowboys geworden waren, hatte ich gehört. Auf diese Weise hatten sie versucht, ihr altes freies Leben fortzuführen und dem Zwang eines weißen Arbeitslebens zu entrinnen, in geschlossenen Räumen, ohne Himmelüber dem Kopf, ohne Pferd, ohne Waffen. So einer war Mitch, ein indianischer Cowboy.
    Pat hatte unser kurzes Gespräch verfolgt und mein Zögern bemerkt, auf Mitchs Angebot einzugehen. Ich hatte keine Ahnung, wo ich die Nacht verbringen würde, draußen nicht, draußen lag immer noch Schnee. Ich blieb einfach im «Wagon Wheel» und hoffte, die Wirtin werde sich auf eine freie Couch besinnen, auf der ein Fremder nächtigen konnte. Als Mitch gerade abgelenkt war, flüsterte Pat mir zu: «Der tut keiner Fliege was zuleide. Wirklich, ich hab’s selbst gesehen, wenn eine Fliege auf seinem Arm sitzt, dann wischt er sie weg. Er schlägt sie nicht tot! Ich kenn ihn schon lange, ein feiner Kerl ist das, glaub mir, mit dem kannst du ruhig mitgehen, sein Trailer steht gleich neben meinem.»
    Das mit der Fliege überzeugte mich. Ich sagte Mitch, ich nähme sein Angebot gern an. «Wie sieht’s mit einem Bier aus?» fragte er. Pat zwinkerte mir zu. «Früher hat er Pferde geritten, Rodeos, sage ich dir.» Er sagte es laut genug, damit sein Freund Mitch es hören konnte. «Jetzt reitet er Girls.» Es schien etwas dran zu sein, denn alle an der Bar grinsten, und die Wirtin schüttelte den Kopf wie eine Mutter über die Streiche ihrer sieben Söhne und stellte mir eine Flasche Bier hin und Mitch einen neuen Badland-Drink.
    Nun wußte ich noch etwas über ihn. Sein Haus, in das er mich eingeladen hatte, war ein Trailer.
    Trailer homes
kannte ich, ich hatte oft genug gesehen, wie sie an den Ausfallstraßen der Städte zum Kauf angeboten wurden – transportable Wohncontainer mit Strom- und Wasseranschlüssen, Küche und Bad. Manbesorgte sich ein Stückchen Land, dann kam ein Tieflader und lud den bestellten Trailertyp darauf ab, fertig war das Heim. Meist stand es nach Jahren noch so da, wie es geliefert worden war: abgeladen im Nirgendwo. Kein Garten, kein Rasen, kein Busch, nur Schrott und Gerümpel ringsum, und unten hingen Schläuche und Rohre heraus, denn ein Trailer stand nicht auf der Erde, sondern auf einem flachen Gerüst aus Holz oder Beton.
Trailer home trash
nannten gutsituierte Amerikaner diejenigen, die in solchen Containern lebten, am Rande so gut wie jeder Siedlung.
    Mitch stand jetzt auf. «Komm mit», sagte er zu mir, «die Kuh soll heute nacht kalben, ich muß jede Stunde nach ihr sehen.» Es war längst Nacht. Wir gingen zu seinem Pickup, er kam mir doppelt so breit und lang vor wie meiner und war voller Kram und Waffen. Ich klemmte mich hinein. Mitch fuhr aus Interior hinaus, bog dann in eine holprige Ranchzufahrt ein, seine Jagdgewehre scheuerten an mir. Bald erreichten wir einen Stall, davor stand in einem engen Korral die trächtige Kuh. Mitch blendete die Scheinwerfer auf, die Kuh erschrak und tat einen Satz.
    «Deine Kuh?»
    «Nein, ich arbeite für einen Millionär.»
    «Woher hat er sein Geld?»
    «Viehzucht. Ich erledige die Drecksarbeit für ihn. Macht nichts, der Job ist in Ordnung.»
    «Von welchem Stamm bist du?»
    «Oglala-Sioux.»
    «Du sprachst von Wounded Knee. Denkst du noch daran, oder sind das tote alte Geschichten?»
    «O nein, das sind keine toten Geschichten. Meine Familie ist verwandt mit Crazy Horse, wir waren dabei am Little Bighorn, wir waren dabei in Wounded Knee. Dreh dich, verfluchtes Biest!»
    Mitch stieg nicht aus. Er blieb der Cowboy auf seinem Pferd, und das da war nur eine Kuh. Er würde sie schon dazu bringen,

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