Hartland
über ihnnachdachte, brach er herein mit der Gewalt einer Saloonschlacht. Im späten Winter war ich morgens losgegangen, an einem allerletzten nördlich kühlen Tag – am Mittag war Sommer, heiß, herrisch, mitleidlos. Nicht der höfliche Dr. Sommer von Wien oder Paris oder meinetwegen Boston machte hier seine Aufwartung, der Plains-Sommer preschte heran, ein Kerl mit sonnenverbranntem Nacken und rauhen Manieren. Die angestammte Folge der Jahreszeiten scherte ihn nicht, dem altersschwachen Winter gab er den Gnadenschuß, den zarten Frühling stieß er grob zur Seite, ein nutzloser Geck in seinen Augen, sollte er in den Avenuen der großen Städte flanieren, hier draußen hatte er nichts verloren – hier sprang jetzt der Sommer vom dampfenden Pferd und riß die Herrschaft an sich mit seinem wüsten Gefolge, einer Bande von Tornados.
In einem Diner lief der Fernseher, der Wettermann meldete schwere Gewitterstürme in Kansas City und kündigte neue an für die Gegend westlich davon, das war hier, wo ich unterwegs war. Nachdem er die Nachricht überbracht hatte, blieben ihm noch ein paar Sekunden Plauderzeit auf Sendung. Er nutzte sie, um sich über die verrückten, gesetzlosen Tornados zu wundern, die doch eigentlich erst im Juni auftauchen würden, wenn der Frühling allmählich in den Sommer überginge, und jetzt sei April. Nichts da, brüllte der Sommer, der Frühling fällt aus!
Ich trank meinen Pappbecher leer und ging hinaus in die jäh entzündete Hitze. Der Mensch ist ein großer Dulder. Er ist ein ebenso großer Wüter, aber an einem Tag wie diesem galt es, Dulder zu sein. Lächerlich,gegen die brennende, stechende Hitze zu wüten. Ich nahm es hin, nahm mich zusammen, senkte den Kopf, die Augen, griff in die Gurte, packte es an.
Vor der Reise hatte ich die Wahl gehabt. Bergrucksack oder Armeetornister, beide hatten mir gefallen. Der kastenartige grüne Tornister mit den vielen Munitionstäschchen war auf altmodische Art schön, der Bergrucksack hingegen schwarz, schmal, glatt und ganz ohne Taschen – ihn wählte ich zu meinem Glück. Weil er so schmal war, bot er meinem ärgsten Gegner keinen zusätzlichen Widerstand, dem Wind. Wäre ich mit dem Tornister angetreten, der mich links und rechts überragte wie Sperrgut – der Wind hätte die größere Angriffsfläche genutzt und mich umgerissen. Der Bergrucksack hatte aber den Nachteil, nicht für lange Märsche gemacht zu sein, jeden Tag schmerzten mir nach spätestens drei Stunden die Schultern. Der pausenlos angreifende Wind, die Hitze, der Schulterschmerz – bald wollte ich mich nur noch hinwerfen, ins Gras, in den Staub, aber wo? Die Sonne stand im Zenit. Nirgends ein Schatten, kein Baum, nicht mal ein Busch. Nichts außer der sengenden Hitze, der Straße, dem Wind.
Wolkenfetzen jagten heran, ihre großen Schatten huschten übers Grasland, und weil der Wind stur von Süden blies, wehten sie mir entgegen. Begierig, einige kostbare Augenblicke im Schatten der Wolken zu gehen, hielt ich immerzu Ausschau nach diesen flüchtigen Erlösungen und wünschte, sie festhalten zu können, allzu rasch huschten sie über die schwarze Leinwand, den Asphalt der Straßen von Kansas – ein Fußluxus und mehrnoch ein Augenluxus, die Straßen Dakotas und Nebraskas waren aus Beton gewesen.
Ich spürte, wie mein Gesicht verbrannte. Die Sonne stand nun im Westen. Ich blieb stehen, vornübergebeugt, die Hände auf den Knien, um den Augen ein wenig Erholung von der brennenden Helle zu gönnen, sie in Asphaltschwärze zu kühlen, als ein lebender Schatten über mich glitt. Ich sah hoch, ein Adler, die unverkennbar geschwungenen Flügel, er rührte sie nicht. Leicht schwebte er am Himmel hin, zog seine eleganten Kreise, mühelos. Voll Bewunderung folgte ich ihm – war ich doch das Gegenteil des herrlichen Fluges dort oben, ein sonnenverbranntes, sich dahinschleppendes Bündel, am Rande seiner Kraft, einen klatschnassen Lappen am Leib, der in besseren Tagen ein Hemd gewesen war.
Meine Hoffnung hatte ich in Randolph gesetzt, den nächsten Ort auf der Karte, doch Randolph war trostlos. Wenige Häuser bei der kleinen Tankstelle, das Motel – ach, wie gern hätte ich mich dadrin aufs Bett fallen lassen, in die künstliche Nacht eines abgedunkelten Zimmers – das Motel war geschlossen, kein Mensch zu sehen. Leichter Regen setzte ein, ich hockte mich auf einen Stein und überließ mich dieser unverhofften Wohltat, und irgendwann stach wieder die Sonne zu, und ich stand
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