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Hartland

Hartland

Titel: Hartland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Buescher
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auf und lief weiter, was sonst. Gegen Abend erreichte ich Manhattan.
    Ich fand ein billiges Motel, in dem sonst Soldaten abstiegen. Eine Frotteefahne mit Amerikas Farben und einem angreifenden, sich auf den Betrachter stürzenden Adler hing über der Rezeption und im Frühstücksraumein weißes Laken, mit in Kinderschrift geschriebenen Segenswünschen für die kämpfenden Truppen im Irak und in Afghanistan. Als ich das Motel verließ, um in die Stadt zu gehen, parkte davor ein gefährlich gleißender schwarzer Truck mit der Aufschrift «Strike Force Special Ops».
    Bäume! Mächtig grünende Bäume. So viele hatte ich noch nie beisammengesehen, seit ich in Amerika war. Ich suchte mir den schönsten Schatten aus, den schönsten Rasen, dicht und weich wie ein teurer Teppich, streckte mich aus und sah zu, wie Studenten im Laufschritt durch den Park eilten, manche junge Männer mit freiem Oberkörper. Sport zu treiben vor aller Augen, sich wenigstens sportlich zu geben, schien Pflicht zu sein in Manhattan. Leicht daherwippenden Mädchen folgten stramm ihr Laufprogramm absolvierende Drahtbürsten, kahlrasierten Baseballjungs leptosome, lockige Flirtjungs. Der gymnastische Reigen riß nicht ab, und weil ich auf dem Rücken lag, flogen all die hübschen und weniger hübschen Jungen und Mädchen am Himmel über mir hin – ein Jugendstilfresko.
    Ein Collegestädtchen war Manhattan, wie es im Buche stand, so perfekt, als sei jemand mit dem Collegestadt-Musterbuch hier gewesen, um alles exakt so herzurichten wie darin empfohlen. Die Institute – ehrwürdige
halls
, benannt nach ihren Stiftern. Die Kirchen – Gleiche unter Gleichen, keineswegs sich erhebend über ihre weltlichen Brüder, die Bauten von Bildung und Staat. Die
halls
warfen sich gern in römische Tempelfassaden, der wuchtige
courtyard
trug Turm. Das alles war so kunstvoll konfus in die Parklandschaft gestreut, die Manhattanwar, als sei der College-Demiurg nach getaner Schöpfung einen Schritt zurückgetreten, um sein Werk zu begutachten, und habe es, um es natürlicher aussehen zu lassen, am Ende sachte zerstrubbelt mit allen zehn Fingern wie ein Friseur.
    Dies war der rechte Moment, mir die Haare schneiden zu lassen, und ich bereute es nicht. Schwer fuhr die Haarschneidemaschine ihre Bahnen meinen Nacken hinauf und mähte den Schädel auf beiden Seiten – kostbare Kindheitserinnerung. Ich hatte das brummende Ding geliebt, es kitzelte, aber nicht zu sehr, es war kühl, aber nicht kalt, und Blut floß auch nicht unter dieser gutmütigen Maschine. Die Augen geschlossen, schwelgte ich in Erinnerung und lauschte dem Friseur von Manhattan, der mir das Lied dieser Tage sang, das Lied von Amerikas Zorn und Furcht: «Wir leben in Angst, wir, die arbeitende Klasse. Solche wie ich mit einem kleinen Geschäft. Wir haben etwas Geld beiseitegelegt fürs Alter. Jetzt gibt Washington mehr und mehr Geld für die Wohlfahrt aus, Geld, das sie uns nehmen, Geld, das uns erhalten sollte im Alter. Wir sind keine Klassengesellschaft, jeder ist willkommen, ob Spanier, ob Mexikaner, nur arbeiten muß er. Kommt und arbeitet! Capitalism is good!»
    So sprach der Friseur, dazu brummte seine Maschine, brummte und fuhr ihre Bahnen in meinem Nacken, an meinen Schläfen hoch, ich hörte das Lied und das Gebrumm mit immer noch geschlossenen Augen, und als ich sie aufschlug, sah ich im Spiegel den beinahe kahlen Schädel eines hart arbeitenden Mannes aus dem Mittleren Westen, rasiert bis auf die angedeutete Schädeldachbedeckung,und hinter seinem Werk erschien das freundliche Gesicht des sanftmütigen Barbiers mit den festen Ansichten. «Es ist gut, daß Sie hierherkommen», sagte er zum Abschied, «nicht immer nur New York, New York. Für die Reichen ist das alles kein Problem. Aber wenn wir immer mehr Steuern zahlen müssen, trifft es den Lebensnerv Amerikas.» Ich war der einzige Kunde, und sein Kompagnon, ein Mann mit schlaksiger, leicht gebogener Cowboyfigur, saß in einem der freien Frisiersessel, hörte zu und lachte lautlos. Keiner, der viel redete oder ans Reden glaubte, soviel stand fest.
    Der Weg nach El Dorado
    Das Frühstück im Army-Motel war soldatisch schlicht. Kaffee, Toast, dazu ein weißlicher Käseaufstrich, aus Portionsschälchen zu kratzen. Am Nebentisch saßen zwei Uniformierte, ein Mann und eine Frau, beide Pistolen am Gurt, am Ärmel das Wappen, das auch auf dem Truck vor der Tür zu sehen war: «Strike Force Special Ops». Neugierig, was das wohl für eine

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