Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Hartland

Hartland

Titel: Hartland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Buescher
Vom Netzwerk:
hatten, hielten sie. Sie betrogen meinen Freund auch, als er Land kaufte. Sie betrügen immer, ich mag sie nicht, damn crooks.»
    Die wievielte Warnung vor den texanischen Gaunern war das? Die dritte oder vierte allein in den letzten Tagen. Ich näherte mich Texas, als näherte ich mich einer Grenze, hinter der neue, unbekannte Gefahren lauerten.
    Marc fuhr immer noch herum, er hielt Ausschau nach jemandem, hatte noch etwas vor. «Wissen Sie», begann er, «wir haben hier unsere eigene Eisenbahn, eine ganze Strecke. Die Eisenbahngesellschaft wollte die Gleise rausreißen, da haben wir zusammengelegt und mit denen verhandelt, und jetzt gehört uns die Bahnlinie.Mal sehen, ob ich Joe auftreiben kann.» Er stoppte und ging in eines der Steinhäuser. Mit einem großen, kräftigen Mann, nicht halb so alt wie Marc, kam er wieder heraus. «Das ist Joe, wir treffen ihn gleich an unserer Lok.»
    «Sie haben eine Lokomotive?»
    Marc lächelte. «Nicht so eine große. Wir haben sie selbst gebaut, schließlich wollen wir unsere Strecke befahren.»
    Der rote Pontiac hielt am Bahnhof. Joe hantierte schon an der Lok, Marc hatte seinen Freund überredet, die Arbeit ein Stündchen ruhenzulassen für eine kleine Ausfahrt zu dritt. Die Lok – was da auf dem Gleis stand, sah wie ein selbstgebastelter Traktor aus und war eine Art motorisierte Draisine. Joe sagte, ich solle hinaufklettern, goß Diesel in den Tank, prüfte dies und das, dann stiegen die beiden zu. Joe ließ den Motor an, löste die stocklange Handbremse, und das seltsamste Fahrzeug, in dem ich je gesessen hatte, setzte sich in Bewegung.
    Hinaus aus Waterville ging die ruckelnde Fahrt, vorbei an letzten Häusern, durch Busch und Wald, über die Holzbrücke über den Little Blue River, «hier lassen wir die Kinder raus, sie springen von der Brücke in den Fluß», und weiter durch dichten Wald. Mir fiel ein, was meine Gastgeber über Marcs Tochter erzählt hatten. Sie lebe in einem Planwagen, kleide sich wie die Siedlerfrauen der Pionierzeit, fahre übers Land und werde gern zu Historienspielen eingeladen. Wir erreichten eine Lichtung, Joe fuhr langsamer, und jetzt sah ich, daß auf der Lichtung ein Ortsschild stand, genauso eineswie vor jeder Stadt, und sei sie noch so klein, mit dem Ortsnamen darauf und der Einwohnerzahl.
    «Somewhere», war da zu lesen und: «Population Zero». In diesem Ort namens Irgendwo, Einwohnerzahl null, hielten wir. «Hier sitzen wir an Sommerabenden», sagte Marc, «essen
hobo stew
und stellen
shootouts
nach.» Joe nickte versonnen. Landstreichereintopf – ich hatte ihn nie gekostet, nicht einmal gehört hatte ich davon, aber ich schwöre, ich hatte den Duft in der Nase und sah sie lebhaft vor mir, die großen Kinder von Waterville, wie sie sich den Eintopf schmecken ließen und die Schießereien der wilden, alten Zeit nachspielten in ihrem Irgendwo hinterm Fluß, nur erreichbar per Traumdraisine, gelegen auf einer geheimen Lichtung im Wirklichkeitswald, dort, wo sich Little und Big Blue River vereinten und wo die Erinnerung an ein Amerika hauste, das es nicht mehr gab.

Teil 3
Der Wahn und die Herrlichkeit
    Amerikanischer Tagtraum
    Noch war ich in Kansas, aber Süden lag in der Luft – ein vages Gefühl nur, zu anderen Zeiten hatte es einen Namen gehabt: «Bleeding Kansas»
.
So hieß die Wunde, die im amerikanischen Bürgerkrieg aufbrach. Das Blut quoll aus dem Riß, der durch Kansas ging, durch seine hübschen Städte, durch seine den europäischen Siedlern so vertraut erscheinenden Wälder und Hügellandschaften, durch Freundschaften und Familien – es war der Riß zwischen Nord und Süd.
    Er schien verheilt, aber eines war immer noch so: Kansas blieb Übergang, Annäherung. Das tote Gürteltier am Weg, die zum Ornament plattgefahrene Kupferkopfschlange, sie waren meine Zeugen und der Judasbaum. Sein purpurner Schimmer war jetzt überall zu sehen, an Hängen, in Tälern, an Flüssen, in den Parks der Städte. Immer wuchs der feingliedrige Baum, der eher die Größe und Gestalt eines Busches hatte, in kleinen Kolonien, als gelte es, zusammenzustehen. Er wurde so genannt, weil er zur Passionszeit blühte und dieses Erblühen in den Augen der Menschen zugleich ein Erröten war über seine obszöne Farbenpracht ausgerechnet zur Leidenszeit des Herrn – nicht wahr, Süden lag in der Luft.
    Wie würde er mir begegnen? Würde es ein Überfall sein oder ein leises Anwachsen der Phänomene? Der Süden fackelte nicht lange. Während ich noch

Weitere Kostenlose Bücher