Haschisch - Konsum, Wirkung, Abhängigkeit, Selbsthilfe, Therapie
eine besonders aufregende Sexualität erleben zu können, muss sich enttäuscht sehen. Er unterliegt dem in unserer Kultur so weitverbreiteten Irrtum, der Erotik einerseits und Nähewünsche andererseits mit Sexualisierung verwechselt. Da Cannabis eine eher dämpfende Wirkung entfaltet, regt es im eigentlichen Sinne nicht sexuell an. Die Stimulierung der Lust auf Liebe vollzieht sich auf anderen Ebenen. Cannabis vermag in überaus feinfühliger Weise das Berührungsempfinden sowie das Sehnen nach körperlicher Nähe und Berührung zu steigern. Diese Gefühle, Wünsche und Bedürfnisse sind eher von sinnlicher Zartheit als von heftigem sexuellem Begehren geprägt. Gelingt es bekifften Liebenden, sie gelegentlich zu teilen, können sie ihr gemeinsames Erleben als ungewohnt schön, innig und verbindend empfinden. Erleben sie dagegen aufgrund falscher Erwartungen gesteigerte Vereinzelung, führt das zu abgrundtiefer Enttäuschung, Katergefühlen der Seele und womöglich zu dauerhafter Abkehr voneinander. Über diese Wirkungen von Cannabis wird selten offen gesprochen. Die Konsumenten tun sich damit keinen Gefallen. Im Gegenteil: Sie setzen beständig neue Anekdoten und Legenden in die sexualisierte Haschischwelt. Es sind vornehmlich männliche Kiffer, die den Zusammenhang von Cannabiswirkung und sexuellem Erleben am eigenen Leibe erfahren wollen. Da vielen von ihnen in ihrem »phallokratischen« männlichen Denken und Erleben die Türen zur Welt der Zartheit und Erotik im eigentlichen Sinne aber nur eingeschränkt offen stehen, fehlen ihnen öfter bereits die Worte, um angemessen zu beschreiben, was Haschisch in der Liebe tatsächlich bewirkt. Zudem scheuen sie sich normalerweise, im männlichen Freundeskreis über zartfühlendes Erleben überhaupt zu sprechen. Stattdessen werden immer aufs Neue Geschichten von sexuellen »Heldentaten«, Höchstleistungen, Megaorgasmen und sonstigen »geilen Abenteuern« erzählt. Sexuelle Übergriffe unter Cannabiseinfluss werden ohne Schuldbewusstsein heruntergespielt.
Seltenst berichten männliche Kiffer über ihr tatsächliches Erleben und ihre enttäuschten Erwartungen, die solche Erzählungen erst in ihnen hervorgerufen haben. Ein 22-jähriger Studienanfänger räumt mit falschen Vorstellungen gründlich auf:
»Ich glaubte, nach all dem, was mir Freunde über Kiffen und Zusammenschlafen erzählt hatten, das müsste wirklich was Besonderes sein. Ich fand es aber überhaupt nicht toll. Ich dachte, es müsste mit meiner Freundin im Bett total scharf abgehen. Aber am Schluss waren wir beide total enttäuscht. Klar, wir haben zwar zusammen geschlafen, aber wir waren überhaupt nicht zusammen. Jeder war mit sich allein, mit seinen Erwartungen und dem eigenen Erleben beschäftigt. Haschisch hat uns nicht verbunden, sondern getrennt. Es war die ganze Zeit störend zwischen uns. Nach dem Sex war auch die Wirkung ganz schnell verpufft. Das Ganze war nur schal. Ich habe mich wie betrogen gefühlt. Ich weiß nicht, ich glaube, es wäre schöner und richtiger gewesen, wir hätten nur zusammengelegen und uns vielleicht mehr gestreichelt, als gleich zur Sache zu gehen. Und selbst allein beim Onanieren war es nichts Besonderes. Den Orgasmus hab ich zwar irgendwie ›heißer‹ erlebt, aber auch da war die ganze Wirkung vom Kiffen gleich danach wie verpufft. Ich hab das dann nicht wieder gemacht.«
Ich komme unter anderen Aspekten auf das Thema »Cannabis in der Liebe« weiter hinten im Buch noch einmal zurück.
Unerwünschte Wirkungen:
Die Negativliste
Wir unterscheiden unmittelbare und längerfristige unerwünschte Nebenwirkungen von Cannabis.
Akute Nebenwirkungen des Kiffens sind eine Erhöhung des Puls- und Herzschlags sowie ein leichter Anstieg des Blutdrucks. Ganz typisch sind die »Kaninchenaugen«, d. h. die Rötung der Augen durch die Weitung der Blutgefäße in der Bindehaut, und die Weitstellung der Pupillen bei entsprechender Dosierung. Bei Konsumenten, die an Cannabis gewöhnt sind, kann sich die verräterische Rötung verlieren. Spätestens mit Abklingen des Rausches verschwinden alle Begleiterscheinungen wieder. Als störend empfunden werden ein trockener Mund, Hustenreiz, Kopfschmerzen und gelegentliche Übelkeit bis hin zum Erbrechen. Sich elend zu fühlen ist insbesondere eine Erfahrung von Cannabisanfängern.
Der unter Umständen leicht erhöhte Blutdruck und Herzschlag sind zwar für Menschen, die nicht durch eine entsprechende Krankheit vorbelastet sind, nicht
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