Haschisch - Konsum, Wirkung, Abhängigkeit, Selbsthilfe, Therapie
Nichtkiffern an die Cannabinoidrezeptoren binden und damit deren körpereigener Ligand sind? Die gesuchten und 1992 tatsächlich entdeckten Stoffe sind Abkömmlinge (Derivate) der Arachidonsäure, einer ungesättigten Fettsäure im menschlichen Körper. Da die gefundenen Substanzen noch namenlos waren, aber die gleichen verhaltenswirksamen Effekte herbeizuführen vermögen wie die psychoaktiven Cannabinoide, wurden sie nach dem indischen Sanskritwort »Ananda«, welches »Bringer der inneren Ruhe und Glückseligkeit« bedeutet, Anandamide genannt.
Die »Anandamide« waren indes nur die ersten identifizierten Vertreter einer Klasse ungesättigter Fettsäuren mit einer Bindungsvorliebe für die Cannabinoidrezeptoren. Andere körpereigene Substanzen, sogenannte Endocannabinoide, mit einer Vorliebe für die entsprechenden Bindungsstellen sind weniger populär geworden als die Anandamide mit ihrem programmatischen Namensgeber. Entsprechend der bekannt gewordenen Bezeichnung ihrer körpereigenen Liganden werden die Cannabinoidrezeptoren gerne auch als Anandamidrezeptoren bezeichnet. Die Verteilung der Cannabinoid- bzw. Anandamidrezeptoren im menschlichen Körper ist inzwischen ebenfalls bekannt. Der zentrale CB1-Rezeptor befindet sich in großer Anzahl im Gehirn und im Zentralnervensystem. Folglich ist er verantwortlich für die über bestimmte Hirnregionen und das zentrale Nervensystem vermittelten Cannabinoidwirkungen. Er greift außerdem in die Wahrnehmung körperlicher Schmerzreize ein und ist maßgeblich beteiligt bei Lernfunktionen und Gedächtnis. Der CB2-Rezeptor kommt nur außerhalb des Gehirns im peripheren Gewebe vor. Er ist insbesondere in der Milz und in den Lymphknoten angesiedelt. Von dort aus übernimmt er Steuerungsfunktionen im Immunsystem.
Im Gehirn findet sich ein überaus auffälliges Verteilungsmuster des zentralen Cannabinoidrezeptors (CB1). Die sich an ihn bindenden Cannabinoide oder Anandamide verteilen sich dort mit einer derartigen Eigenwilligkeit, dass sie über die den entsprechenden Gehirnarealen zugeordneten Steuerungsprozesse zahlreiche Wirkungen nach sich ziehen. Über das Kleinhirn und die Basal- bzw. Stammganglien nehmen sie Einfluss auf die Koordination der Bewegungsabläufe und der Feinmotorik, teilweise mit verblüffenden Effekten für den Bekifften, die nicht selten für groteske Situationskomik sorgen.
Das Andocken der Glückseligkeit transportierenden Stoffe an die passenden Schaltstellen in der Hirnrinde und im Stirnbereich vermittelt die durch Cannabisgebrauch vertrauten psychoaktiven Wirkungen: die Hochstimmung (Euphorie), die halluzinogenen, traumähnlichen oder meditativen Zustände, die Beeinflussung des Zeitgefühls und der Konzentrationsfähigkeit. Das Vorkommen der Anandamidrezeptoren im Hippocampus erklärt die Beeinträchtigungen bei den Gedächtnisleistungen, beim Lernen und bei der Merkfähigkeit sowie die deutlichen Veränderungen in der sensorischen Wahrnehmung.
In den tieferen Regionen des Hirnstamms finden sich nur wenig Cannabinoidrezeptoren. Darauf ist zurückzuführen, dass selbst hohe Dosen von Haschisch keinen nennenswerten Einfluss auf lebensbewahrende körperliche Grundfunktionen wie insbesondere die Atmung haben. Im Gegensatz zu Opiaten (Heroin) und Alkohol ist es praktisch unmöglich, eine Überdosis an Cannabis zu sich zu nehmen, die den Tod nach sich zöge. Durch Haschischgebrauch allein ist also noch kein Mensch zu Tode gekommen; wohl aber durch eine Verkettung unglückseliger kausaler Umstände und Risikofaktoren zu Ausnahmefällen. So berichtete mir ein Rettungsarzt von einem Einsatz: Eine 21-jährige Verkäuferin, die eine hohe Dosis Haschisch mit einer ebenso großen Menge an Alkohol zu sich genommen hatte, fiel in tiefe Bewusstlosigkeit. Sie erbrach sich und erstickte an ihrem Erbrochenen.
Mit den Wechselwirkungen zwischen den Cannabinoiden, den körpereigenen Anandamiden und deren jeweiligen Rezeptoren im menschlichen Gehirn lassen sich gut die beobachteten Toleranzbildungen gegenüber Cannabis erklären. Bei Gewohnheitskiffern ist die Ausbildung einer Toleranz gegenüber dem Wirkstoff THC erwiesen. Sie ist allerdings milde und tritt nur auf, wenn sie so beständig konsumieren, dass eine fortwährende Anwesenheit der Droge im Gehirn und im Stoffwechsel gegeben ist. Bildgebende Verfahren haben bewiesen, dass sich in solchen Fällen die Cannabinoid-/Anandamid-CB1-Rezeptoren im Gehirn stark vermindern. Es findet also eine Down-Regulation statt.
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