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Haschisch - Konsum, Wirkung, Abhängigkeit, Selbsthilfe, Therapie

Haschisch - Konsum, Wirkung, Abhängigkeit, Selbsthilfe, Therapie

Titel: Haschisch - Konsum, Wirkung, Abhängigkeit, Selbsthilfe, Therapie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: beltz Verlag
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Zuwendung bemüht, fast als wolle er in sein Gegenüber hineinkriechen. Andererseits wirkten seine Kontaktversuche leer.
    In unseren gemeinsamen Gesprächen erwies er sich als »schwer denkender Philosoph«. Er wollte mir Gott und die Welt erklären. Es fiel mir zeitweise unglaublich schwer, seiner sich endlos entwickelnden Gedankenflut zu folgen, die Zusammenhänge der Gedankenstränge zu erkennen, wirklich Bedeutsames von weniger Wichtigem zu trennen. Sein Rededrang ohne Punkt und Komma war kaum zu unterbrechen. Es dauerte lange, bis er ein Angesprochenwerden überhaupt registrierte und darauf mit Blickkontakt reagierte. Es war, als spreche er weniger zu mir denn zu sich selbst.
    Der Klient hielt philosophierende Monologe. Zeitweilig waren jene für mich so ermüdend, dass sich enorme Frustration in mir ausbreitete. Ich spürte förmlich, wie sie langsam, vom Zentrum meines Fühlens ausgehend, Schicht für Schicht bis in die äußerste Hülle meiner Haut kroch. Dort blieb sie und bildete eine zweite Haut. Spätestens, wenn ich mich so fühlte, brach regelmäßig der innere Kontakt zu meinem Klienten ab. Seine innere Isolierung war in mir wiedererstanden. Ich ahnte, wie es um sein Gefühlsleben bestellt war. Wiederholt beschrieb ich ihm den Gemütszustand, in den ich geraten war. Er nickte dann stumm und hielt lange Blickkontakt. Seine Augen und sein Gesichtsausdruck signalisierten mir, dass er sich verstanden fühlte. Die Momente des Kontakts wurden zwar zunehmend länger, aber irgendwann verdunkelte sich sein Blick und er ging wieder in sein eigenes, von Philosophieren getragenes Universum. Dabei machte er allerdings einen gesteigert gequälten Eindruck. Dienten seine Selbstgespräche und sein Sich-die-Welt-Erklären früher seinem psychischen Überleben, empfand er sie mittlerweile als nervige Belastung. Seine Gedanken standen selten still. Er irrte im Denken wie gehetzt hin und her, türmte Gedankengebäude auf Gedankengebäude, unfähig, »die Wirbel im Kopf« zu stoppen. Erleichterung verschaffte ihm das tägliche Kiffen. Während seiner Arbeit, der er in einer für ihn notwendigen Selbstdisziplin nachging, gebrauchte er nie Haschisch, immer erst am Abend. Die beruhigenden Wirkungen des Mittels waren sein Zufluchtsort,
    »… wo ich bei mir selbst ankomme. Da finde ich endlich mich. Ich muss kiffen, weil es dann in meinem Kopf viel ruhiger wird. Meine Gedanken kommen langsamer. Ich kann sie dann viel besser ordnen. Ich denke zwar auch dann noch über Gott und die Welt und mich nach, aber ich finde mehr Sinn darin, es geht nicht alles so wirr durcheinander. Damit kann ich viel mehr was anfangen«.
    Ohne Kiffen hielt der Klient die Realität lange Zeit nur schwer aus. Haschisch wirkte wie ein Puffer, legte einen besänftigenden Schleier über seine Gedanken und Gefühle. Wenn er mit Absicht mal nicht Haschisch rauchte, lief er ebenso unruhig kreuz und quer durch die Straßen, wie er in seinem Denken umherirrte. Dabei führte er häufig die gewohnten murmelnden Selbstgespräche.
    Gelegentlich kreuzten sich früher unsere Wege in der Stadt, während er »so drauf« war. Beunruhigt wurde ich dadurch nicht. Der junge Mann war in keiner Weise psychotisch, schizophren oder geistig verwirrt. Er lebte nur in einer sehr eigenen Welt, wirkte wie ein etwas verschrobener Sonderling. Das Positive daran ist bis in die Gegenwart seine fantastische Kreativität, die er zudem in seinem Beruf trefflich zu nutzen vermag.
    Die Arbeit mit dem Klienten war über Jahre hinweg eine Mischung aus vereinzelten Therapiestunden und Lebensbegleitung. Insgesamt hat der inzwischen erwachsene Mann seinen Haschischgebrauch völlig heruntergefahren. Nur »seltenst ziehe ich mir noch einen Joint rein, vor allem, weil mir dann das Lachen leichterfällt. Das brauche ich vielleicht noch so. Jedenfalls will ich das nicht ganz missen«.
    Von dem Zeitpunkt ab, als wir nicht mehr nur mit Sprache arbeiteten, sondern altersgemäße Elemente aus der Körpertherapie in die Arbeit integrierten, wurde der Kontakt stabiler. Den Klienten nur mit Ansprechen zu erreichen war nicht ausreichend wirksam. Darin fand er nicht genügend Halt. Fügten wir vorsichtig dosierten Körperkontakt hinzu, veränderte das vieles. Hielt er sich beispielsweise mit einer Hand an meinem Unterarm fest oder stellte er seine Fußsohlen im Sitzen gegen meine Knie, reichte das aus, um heilsam verändernden Kontakt zu stiften. Der Klient wurde wesentlich ruhiger, seine Gedankenflut ebbte

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