Haschisch - Konsum, Wirkung, Abhängigkeit, Selbsthilfe, Therapie
Geldhahn zuzudrehen, wenn er nicht darin einwilligte, wegen seines ausufernden Drogengebrauchs eine Beratungsstelle aufzusuchen.
In der Tat hatte sein verquerer Lebensweg den Klienten bereits in jungen Jahren dazu geführt, in den Wirkungen von Drogen eine Linderung seines inneren Gequältseins zu suchen. Im Alter von 13 Jahren beginnend, hatte er seither alles ausprobiert, was berauschende Verlockungen verhieß: Marihuana und Haschisch, magische Pilze, LSD, Ecstasy, Ketamin, Kokain, Engelstrompete und Wahrsagesalbei. Nur vor Heroin war er zurückgeschreckt. Seine eindeutige Lieblingsdroge war ohne Wenn und Aber Cannabis. Sofern er über genügend Geld verfügte, deckte er sich reichlich damit ein und konsumierte täglich.
Die Ursachen seines Drogengebrauchs sah mein Klient selbst sehr klar. Er fühlte sich über Gebühr lebensängstlich und litt unter seiner sich immer aufs Neue bestätigenden Wahrnehmung, wie kindlich und unreif er in vielen Belangen wirkte. Obgleich äußerlich ein sehr ansehnlicher Mann, wich jede Frau, die er kennenlernte, vor ihm zurück, weil er sie nicht mit einer altersgemäßen männlichen Ausstrahlung anzuziehen vermochte. Wenn er kiffte, fühlte er sich spürbar weniger ängstlich. Obendrein bändigte er mit den besänftigenden Wirkungen des Haschischs seine wachsende Wut auf Gott und die Welt. Sein Grundgefühl des Sich-hin-und-her-gerissen-Fühlens zog sich nämlich mittlerweile durch alle Lebensbereiche. Er war zwar in der Lage gewesen, einen Berufsabschluss zu erwerben, mit dem er grundsätzlich überall auf der Welt eine gefragte Arbeitskraft hätte sein können, doch fühlte er sich nirgends hingehörig. Nie heimisch werdend, wechselte er beständig die Arbeitsstellen wie die Wohnorte. Sein Hin und Her fand eine programmatische Entsprechung in seinen beiden Staatsangehörigkeiten und in seinem fortwährenden Wandern zwischen den Welten. Das dadurch hergestellte Chaos zog nach sich, dass zum gegenwärtigen Zeitpunkt seiner Arbeitslosigkeit keine Behörde sich mehr für seine Belange zuständig erklärte. Er fühlte sich zwischen den wechselnden Ämtern, die er aufsuchte, förmlich zerrieben. Die Frage, wer eigentlich für ihn zuständig sei, passte als die Lebensfrage schlechthin zu seiner Geschichte. Niemand wollte je wirklich für ihn der verantwortlich zeichnende Ansprechpartner sein. Niemand hatte ihm vorgelebt, »wie das geht mit dem Leben«. Folglich hatte er auch nie gelernt, die Zuständigkeit für seine Lebensgeschicke selbst zu übernehmen. Die eigene Verantwortung für sein Leben im Hier und Jetzt als erwachsener Mann schob er von sich. Er beharrte im Gegenteil auf der inneren Haltung: »Die Welt ist mir noch was schuldig. Mir steht noch von Rechts wegen was zu.« Seine Anspruchshaltung erstreckte sich auf alles und jeden: seine Mutter, seine Wohngefährten, mögliche Arbeitgeber, die von ihm für seine Unterstützung als zuständig erachteten Ämter und Behörden. Selbst die Sonne sollte ihm immer scheinen.
Trotz seiner lebenspraktischen Schwierigkeiten machte er den Eindruck, über allem zu schweben. Das tägliche Kiffen half ihm dabei. Der Rausch beschönigte ihm die ihn fordernde Realität. Seinen Umgang mit Cannabis beurteilte er entsprechend charakteristisch: »Es ist zwar ein Problem, aber ich mache mir keins draus.« Generell idealisierte er die Wirkungen der von ihm kennengelernten Rauschmittel: »Die wichtigsten Dinge im Leben habe ich durch Drogen gelernt.« Insbesondere schwor er darauf, dass sie ihm hilfreich seien im Umgang mit Menschen. Am liebsten nahm er eine hochgestochen-dozierende Haltung ein, mit der er sich den Niederungen des Lebens überlegen erweisen wollte: »Es tut mich peripher alles gar nicht tangieren.« Diese Formulierung liebte er ganz besonders. Sprachlich war der Klient überaus gewandt, aber mit einer solchen Äußerung verriet er sich zugleich. Ich brauchte seinen wie eine Trophäe präsentierten Satz nur mit einer besonderen Betonung auf »peripher« zu wiederholen und die verkürzte Frage anzuschließen: »Und im Kern?«, um ihn dort zu berühren, wo er sich innerlich wund fühlte. Als ich ihn obendrein noch freundlich anblickte, spürte er, dass ich mitfühlen konnte, wie es in ihm aussah. Seine Haltung änderte sich augenblicklich, und mit großer Nachdenklichkeit erzählte er mir von seinen achtsam verborgenen Gefühlen. Es war der Moment der größten Berührung zwischen uns beiden.
Innerhalb weniger Gespräche hatten wir
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