Haschisch - Konsum, Wirkung, Abhängigkeit, Selbsthilfe, Therapie
beizutragen. Andererseits sah seine Zukunft aufgrund seiner bisherigen Geschichte wahrlich nicht sehr rosig aus. Mit seinen eingeschränkten Möglichkeiten schien er tatsächlich nur noch wenige Chancen zu haben, so etwas wie eine verlockende Perspektive für sein Leben zu entwickeln. In unseren Gesprächen kamen wir folglich schnell an Grenzen. Was hätte ich ihm konkret bieten können? Die Realität der gnadenlosen Auslese in unserer Gesellschaft lässt sich nicht wegtherapieren. Wo hätte er in für ihn absehbarer Zeit eine Alternative finden sollen, für die er innerlich bereit gewesen wäre, sein ihn zusätzlich lähmendes tägliches Kiffen aufzugeben? In den Wirkungen des Haschischs fand er doch nach seinen Aussagen die einzigen angenehmen Gefühle. Folglich konnte er sich das nicht auch noch von außen wegnehmen lassen.
Immerhin erreichten wir unter Hinzuziehung Dritter eine gemeinsame Planung seines nächsten Jahres, in die er nach Abwägung der ihm ersichtlichen Vor- und Nachteile aus freien Stücken einwilligte. Weitab von allen bedrückenden Orten und Misserfolgen seines bisherigen Lebensweges nahm er in einem von der Sonne verwöhnten Land an einer jener oftmals so infrage gestellten Langzeitmaßnahmen der Jugendhilfe teil. Er sah sich dort in einen sehr haltgebenden Rahmen eingebunden, in dem er ohne Druck Zutrauen in eigene Fähigkeiten und Leistungen aufzubauen vermochte. Daran gekoppelt war eine Berufsausbildung, die seine Startchancen nach der Rückkehr in die raue Wirklichkeit erleichterte. Sein Veränderungswille war angestachelt. Heute lebt er zwar von Hartz IV und kleineren Jobs, wohnt aber mit seiner Freundin zusammen. Deren Herkunftsfamilie hat ihn ins Herz geschlossen, sodass er für sich ein Stück des lange Zeit so schmerzlich entbehrten Gefühls genießt: »Ich bin irgendwo angekommen, wo ich gerne bin.«
Ich philosophiere,
um zu überleben …
Ein 18-jähriger junger Mann, der mich anlässlich einer Gelegenheit außerhalb der Beratungsstelle kennengelernt hatte, kam ein paar Tage später ohne tieferes Anliegen zu einem ersten Gesprächstermin. Anfänglich ging es ihm nur um eine Fremdeinschätzung seines Haschischkonsums. Er kiffte täglich nach der Arbeit, zum Teil so heftig, dass er »völlig zu« war. Unsere Gespräche drehten sich allerdings weniger um sein Kiffen als um sein Erleben der »Innenwelt«.
Der Klient wirkte auf mich innerlich durchlässig und weich, zerbrechlich wie ein rohes Ei. Seine Geschichte klang nicht dramatisch, eher von »leisen Tönen« geprägt. Doch hatte gerade das Leise, Subtile und Unausgesprochen-in-der-Luft-Liegende zu seiner Verwirrung beigetragen. Nach der frühen Scheidung seiner Eltern pendelte er über Jahre hinweg wöchentlich zwischen seiner Mutter und seinem Vater hin und her. Seine Eltern versorgten ihn zwar, sprachen aber beide wenig mit ihm und waren nicht in der Lage, ihm Warmherzigkeit entgegenzubringen. Bei beiden Elternteilen traf er zudem auf kommende und wieder gehende neue Partnerschaften.
Gleichgültig, bei wem er gerade war, der Junge lief eigentlich immer nur »so nebenbei mit«. Am willkommensten fühlte er sich, wenn er möglichst wenig störte, tat, was die anderen von ihm erwarteten. So machte er sich früh unauffällig. Seine Sicherheit bestand darin, frühzeitig »zu riechen, was in der Luft lag«. Er verhielt sich dann kindlich »zuvorkommend« und machte allen alles recht. Seine Fähigkeit, sich wie ein Chamäleon an jede wechselnde Person und Situation anzupassen, entwickelte er bis zur Perfektion. Dass er selbst darüber verloren ging, wurde von niemandem wahrgenommen, ebenso wenig seine wachsende innere Einsamkeit. Er war gezwungen, sich an sich selbst festzuhalten. Er fing an, mit sich selbst zu sprechen, um sich zu erklären, was um ihn herum vor sich ging, und um seine eigene Stimme zu hören. Dann »wusste ich, dass ich noch da war«. Er entwickelte eine völlig eigene »Innen- und Gedankenwelt«, die er mit niemandem teilen konnte. Mit 15 Jahren begann er, Haschisch zu rauchen. Die Erfahrungen mit der Droge fügten seiner Innenwelt weitere »Gedankengebäude« hinzu: »Wenn ich zugekifft in ihnen umherstreifte, fühlte ich mich wohl.«
Als ich ihn mit 18 Jahren zum ersten Mal sah, wirkte er liebenswürdig und freundlich. Eine für männliche Jugendliche seines Alters gänzlich untypische »Zuvorkommenheit« ließ ihn allerdings linkisch und unbeholfen erscheinen. Einerseits war er beständig um ein hohes Maß an
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