Haschisch - Konsum, Wirkung, Abhängigkeit, Selbsthilfe, Therapie
Adoptivtochter an irgendetwas mangeln. Umso größer waren das Unverständnis und Entsetzen, als jene mit 14 Jahren unvermittelt anfing, Cannabis zu gebrauchen. Zwei Jahre später hatte ihr Konsum ein für sie schädliches Ausmaß angenommen. Erst zu diesem späten Zeitpunkt wandten sich die Eltern an die Drogenberatung. Sie wussten sich und ihrer indischen Tochter nicht mehr zu helfen. Eine Woche später sah ich das Mädchen zum ersten Mal.
Vor mir saß ein weibliches Geschöpf, das geradewegs einem fernöstlichen Märchen entstiegen zu sein schien. Die junge Deutsche indischer Abstammung war so makellos schön und ebenmäßig, dass sie überall, wo sie auftauchte, magisch die Blicke anderer Menschen auf sich ziehen musste. Während wir die ersten Worte miteinander wechselten, schaute auch ich sie an, um ihr Bild in mich aufzunehmen und in mir nachzuspüren, was es zum Klingen bringen würde. Etwas stimmte nicht. Ahnungsvoll wandte ich meine Augen von ihr ab, dem Eindruck nachgehend, dass ich die junge Frau als überaus schutzbedürftig erlebte. Nach kurzer Bedenkzeit, ob es nicht viel zu früh sei, zu äußern, was mir durch den Kopf ging, sagte ich ihr: »Ich glaube, das muss schwer für dich hier sein. Du fühlst dich bestimmt ganz anders unter uns.«
Sie sah mich einen Moment aus großen Augen an, lächelte bitter und dann brach es schon zornig und zugleich traurig aus ihr heraus:
»Ich fühle mich schon, seit ich denken kann, anders. Meine Eltern haben mir früh gesagt, dass ich ein Adoptivkind bin. Sie hätten es mir gar nicht sagen brauchen, denn das konnte ich doch von Anfang an sehen, dass ich nicht gleich war wie sie und meine Geschwister. Ich bin doch wirklich ganz anders. Es ist nicht nur meine Hautfarbe, die mich hier anders macht. Die finden viele ja sogar noch hinreißend schön. ›Schön‹, wenn ich das nur schon höre, könnte ich schreien. Ich fühle mich aber auch innendrin fremd hier. Meine Eltern und meine Geschwister, ich glaube, niemand weiß, wie ich mich wirklich fühle. Alle sagen zu mir, es geht dir doch gut, du hast doch alles, dir fehlt doch nichts. Sie sind böse auf mich und machen mir Vorwürfe, weil ich so viel Shit und Ganja rauche. Ohne halte ich das gar nicht mehr aus. Manchmal traue ich mich kaum noch raus. Wenn ich Haschisch oder Ganja geraucht habe, fühle ich mich sicherer. Dann bin ich wie beschützt. Es legt sich etwas um mich herum, was mich weniger durchdringbar macht. Eigentlich komisch, dass ich mich mit Haschisch nicht so fremd fühle, denn anders bleibe ich doch trotzdem.«
Die Ursachen für ihre Zuflucht zu Haschisch und Ganja legte die junge Frau sehr offen, zumindest diejenigen, die ihr selbst bewusst waren. Es ist ein wenig spekulativ, aber ich bin überzeugt davon, dass sie Cannabis noch aus gänzlich bewusstseinsfernen Gründen zum Mittel ihrer Wahl erkor. Als Inderin stammt sie aus einer der Regionen der Erde, in denen der Umgang mit »Charas«, »Bhang« und »Ganja« den Menschen seit Jahrtausenden in die Wiege gelegt wird. Die Verehrung von Cannabis ist untrennbar mit den alten indischen Gottheiten, mit Glauben, Religion und Spiritualität verbunden. Säuglinge saugen die Cannabiskultur quasi mit der Muttermilch ein. Selbst wenn der Konsum von Cannabisprodukten vorzugsweise eine männliche Domäne ist, die junge Frau brachte ihr Umgang mit der Droge näher an ihre kulturellen Wurzeln heran. Sie fühlte sich damit weniger fremd. Sicher nicht zufällig benutzte sie die Bezeichnung »Ganja«, was für hiesige Marihuanagebraucher eher untypisch ist.
Um für sich einen Weg zu finden, mit ihrem Anderssein trotzdem »heimischer« in unserer Kultur und »unter uns« zu leben, brauchte sie vor allem anderen erst einmal einen Menschen, dem sie sich mit ihrem Empfinden anzuvertrauen wagte, und der sie in Gänze zu verstehen in der Lage war. Das konnte ich für sie weder als Mann noch als Deutscher sein, der zwar über die Wurzeln und Gebräuche der hohen indischen Kultur zu lesen, sie aber nicht wirklich zu »fühlen« vermochte. Ich dachte sogleich an eine dritte Person, die ich vor Jahren bei einer interkulturellen Veranstaltung kennengelernt hatte und zu der es seither immer mal wieder beruflich veranlasste Kontakte gab. Es handelte sich um eine erwachsene Frau mit ebenfalls indischer Abstammung, die seit langen Jahren zufrieden »unter uns« lebt und sich in ihrem Beruf mit den Auswirkungen »kultureller Verpflanzungen« beschäftigt. Ich stellte den Kontakt
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