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Haschisch

Haschisch

Titel: Haschisch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oscar A. H. Schmitz
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Chiromantin weissagte, das außerordentlichste Ereignis meines Lebens würde in diesem Jahr eintreten. Ich begab mich auf Reisen, um dem Wunderbaren zu begegnen. Ermattet und enttäuscht kam ich jüngst zurück.«
    »Was mögen Sie auf dieser Reise alles angestellt haben«, warf ich belustigt ein.
    »Unterbrechen Sie mich nicht.« Aufgeregt fuhr sie fort: »Wo ich hier in H. hinkam, hörte ich von Ihnen. Es war beängstigend. Ihr Name verfolgte mich, wenn ich allein war. Ich war überzeugt, Sie müßten mit dem erhofften Ereignis in Verbindung sein. Unter allen Umständen sollten Sie mir Rede stehen. Vielleicht wären Sie bestimmt, mein Werkzeug zu sein, vielleicht redete der Pater Sinistrari nur symbolisch. Man könnte ja in eine beinahe übersinnliche Beziehung auch zu einem lebendigen Wesen treten, indem man, um den Enttäuschungen und Gefahren der Sinnenwelt zu entgehen, einfach die Augen zumacht. Meinen Sie nicht?«
    Mir war überhaupt nicht zumute wie jemand, der zu einer Schäferstunde gekommen ist. Diese Mischung kalter berechnender Lasterhaftigkeit mit kasuistischer Spekulation und protestantisch-bürgerlicher Beschränktheit konnte einen wirklich aus dem Gleichgewicht bringen. Dazu kam das unbehagliche Gefühl, als Werkzeug zu dienen, gewissermaßen herbefohlen zu sein. Um ein peinliches Stillschweigen zu vermeiden, sagte ich: »Sie haben sich leider alle Möglichkeit zur Befriedigung Ihrer Phantasie geraubt, indem Sie meinen Anblick gesucht haben.«
    »Wie hätte ich Sie denn in mein Haus lassen können«, rief sie verwundert, »ohne zu wissen, daß Sie ein Gentleman sind?«
    Ich konnte kaum das Lachen unterdrücken. Bis in die vierte Dimension trug diese Angelsächsin die Vorurteile ihrer Klasse.
    »Und nun haben Sie diese Überzeugung gewonnen?«
    »Nicht nur die«, flüsterte sie plötzlich wieder erregt. Ich fühlte, wie sie mir in der Dunkelheit ganz nahe war. »Ich weiß nun auch, daß Sie wirklich der Erwählte für mein Erlebnis sind. Ich habe die Lichter gelöscht, damit Sie sich vorstellen können, Ihr Idol zu umarmen – nicht eine Frau, an der Sie tausend Kleinigkeiten stören würden. Diese Urliebkosungen, die sich an keiner Wirklichkeit abnutzen, will ich mir stehlen – ein Diebstahl! Ich habe Sie gesehen, so wie Sie sind, habe ich mir den Satan gedacht!«
    Sie war atemlos.
    Ich schlang heftig die Arme um sie und war plötzlich von der namenlosen Begier erfüllt, mich mit geschlossenen Augen in den vor mir gähnenden Abgrund zu stürzen. »Still ... kein Wort mehr ...«, stöhnte ich wie in dunkler Angst vor dem Erwachen. »Zerstöre das nicht!« und preßte ihr die Lippen zusammen. Widerstandslos, schweigend gehörte sie mir. Ich fühlte mich in undurchdringlicher Nacht, hinter der ich phantastisch traumhafte Landschaften vermuten konnte. Zum ersten Mal hielt ich das Weib im Arm, dieses dunkle, große, ferne Ewige, das eine Frau niemals ganz verkörpern kann. Alles glühte auf, was sonst ohnmächtige Träume und enttäuschende Wirklichkeiten in mir verschüttet hatten. Ich habe mich niemals so sinnlos bis zum Gefühl der Auflösung verschwendet, als an diesem mageren, geschmeidigen, fremdartigen Leib, der für mich keine Persönlichkeit enthielt, der wirklich das Idol war. Wie sie später behauptete, soll ich bisweilen laut fremdartige und barbarische Worte gerufen haben, ähnlich den Naturlauten, die sie von wilden Völkern bei ihren bewußtlosen heiligen Tänzen gehört hatte, ein unwillkürliches Klangwerden höchster Erregung der Seele, die in das Geheimnisvollste tastet.
    Sie hatte diese Laute vergessen. Sie müßten ihr aber, meinte sie, wieder einfallen, wenn sie den Geschmack gewisser Gifte auf der Zunge spürte, so wie manche Erinnerungen mit Melodien oder Gerüchen verknüpft seien. Ich selbst kann meine Gefühle nur mit denen vergleichen, die ich einmal hatte, als ich in den Alpen mit den Fingerspitzen über einem Abgrund hing und angesichts des Todes mein Leben, von rückwärts beginnend, in einem Augenblick an mir vorüberziehen sah. So kamen in dieser Umarmung alle Frauen an mir vorbei, die ich gekannt, und ich hatte das Gefühl, alle, alle zu besitzen. Erlebte Umarmungen wiederholten sich in vollkommeneren Vereinigungen, mißglückte Abenteuer gestalteten sich neu. Einst begehrte, unnahbare Königinnen sanken in meine Arme, und zum Schluß kamen wundervolle, verschleierte, traumhafte Frauen. Das waren die Geliebten meiner Knabenträume, denen ich früher und glühender

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