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Haschisch

Haschisch

Titel: Haschisch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oscar A. H. Schmitz
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zu reizen, sie wütend zu machen, indem ich alberne Gründe für mein Wegbleiben erfand. Aber wenn dann ihr Haar duftete, als müsse es in der Sonne rot leuchten, wenn mich ihre hageren Formen in nervöser Hast umkrampften, daß ich nicht wußte, ob sie höchste Qual oder Lust empfand, ob sie mich liebte oder züchtigen wollte, dann vergaß ich allen Ärger, alle Absichten. Dann fühlte ich mich als der Beichtvater, der die Zelle einer jungen Hexe betritt, die morgen brennen muß und heute noch einmal von der Wollust in sich hineinschlingen will, was sie nur noch fassen kann. Die noch schnell so viel fremde Kraft aufzusaugen, zu zerstören begierig ist, als ihr irgend möglich. Mein Überlegenheitsdünkel verstummte, wenn ich sie träge und regungslos fand, wie eine Bajadere, die sich eines heißen Morgens im Schatten bizarrer Gewächse gewälzt und gedankenlos zu viele fadsüße Früchte verschlungen hat. Dann roch sie nach indischen Blumen, sie wußte seltsame Bauchbewegungen, so daß sie mir fast zu üppig vorkam. So vergaß ich gern, daß mich vielleicht eine nichtige Dame zum besten hielt. Sie existierte ja gar nicht. Manchmal kam mir der Gedanke, sie zu gewissen erregenden Worten in ihr fremden oder in toten Sprachen abzurichten. Aber ich merkte rechtzeitig, das dadurch die Lebendigkeit meiner Idole Literatur, Theater geworden wäre, ein kleiner Scherz, den jede Dirne hätte erlernen können.
    Natürlich machte ich mir eine bestimmte Vorstellung von ihr, aber ich kann nicht sagen, ob ich sie mir schöner oder häßlicher dachte als die mir begegnenden Frauen, hinter denen ich sie bisweilen vermutete. Die Außerordentlichkeit meiner Freuden war gar nicht an einem wirklichen Niveau zu messen.
    Obwohl also alle Berührungen mit dem Alltag fern lagen, in denen die Todeskeime der menschlichen Beziehungen liegen, nahm diese außerordentlichste aller Liebesgeschichten ein so dummes triviales Ende wie eine Sergeantenliebschaft. Die Dame wurde eifersüchtig – auf meine Idole. Eines Tages fragte sie mich wie eine kleine Näherin, ob ich sie liebe. Und damit ist die Geschichte eigentlich zu Ende. Sie hatte herausbekommen, daß meine Freuden doch glühender und mannigfaltiger waren als die ihren. Durch ihre vorzeitige Neugier waren ihre Sinne nun einmal an meine Gestalt gebunden. Sie war es müde, immer dasselbe Wesen zu küssen, wenn sie es auch in den Flitterwochen Satan genannt hatte. Ich war boshaft genug, sie merken zu lassen, daß sie ohne ihre ›ladylike‹ Vorsicht und Neugier gleich mir über ein Serail verfügen könnte, daß sie dann heute einen delikaten George Brummels, morgen einen römischen Gladiator umarmt hätte. Solche Worte trieben sie in ohnmächtige Wut.
    »Sie sollen mich nun doch auch kennenlernen«, sagte sie einmal empört, »und wir wollen sehen, ob Sie dann noch Ihre Idole vorziehen.«
    Ich erriet, daß sie das Licht aufdrehen wollte. »Bitte nicht!« rief ich, »ich laufe fort.«
    »Sie wollen mich nicht sehen?«
    »Sie können unmöglich so schön sein, als ich glauben möchte.«
    »Das ist unerhört.«
    »Sie wollten doch den Weihrauch eines Idols empfangen.«
    Nun hatte sie wohl doch Angst, mich zu enttäuschen. Ohne zu reden, verließ sie mich.
    Ich erhielt nun keine Einladung mehr. Wochen vergingen, und ich fühlte eine große Lücke in meinem Leben, das in ununterbrochener Trostlosigkeit weiterging. Ich war traurig, als sei mir eine gute Geliebte gestorben, aber sobald ich an diese Frau dachte, verging mir alle Sehnsucht. Ich fühlte etwas wie leisen Hohn, eine Art Verachtung für allzu große Unterlegenheit, an die zu denken kaum der Mühe wert ist.
    Eines Abends war ich allein in dem einzigen Restaurant der Stadt, wo man nach dem Theater speisen konnte. An einem Tisch hinter mir saßen Leute, die bei meinem Kommen noch nicht da waren: zwei Herren in korrekter schwarzer Abendkleidung. Einer hatte einen fast weißen Bart mit ausrasiertem Kinn, der andere war ein blonder junger Mensch mit frischem, sehr englischem Knabengesicht. Zwischen ihnen saß eine blasse Frau von etwa fünfunddreißig Jahren. Sie hatte dunkles Haar, das geradlinig in regelmäßigen Löckchen die Stirn abschloß, ein mageres Gesicht von keltischem Typus mit stillen, fast starren braunen Augen. Eine außerordentliche Distinguiertheit lag über ihr. Den fast zu langen schmalen Mund schmückten sehr weiße, auffallend kleine Zähne – ein Gesicht, von dem man meinen könnte, daß es einmal schön war; doch etwas

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