Haschisch
gehuldigt als jenen Lebendigen. Nur wer als Kind solche phantastischen Sehnsüchte gekannt, der mag die Erfüllungen dieser Stunde an der Stärke seiner damaligen, alle wirkliche Liebessehnsucht übersteigenden Wünsche messen.
Ich weiß nicht, wie und in was für Augenblicken ich in den Armen dieser Frau schlummerte, plötzlich erwachte ich, noch eben hatte ich heiße Wohlgerüche gespürt. Nun vernahm ich ein Rauschen von Gewändern, das Schieben einer Tür, um mich erglühten zahllose Lampen. Ich erschrak, als ich mich auf einmal in einem engen, grell erleuchteten Raum befand, wo mich von allen Seiten scheußliche Larven angrinsten, die ihre braunen behaarten Gesichter zwischen riesenhaften Schießbogen, bunten Federbüschen und anderen phantastischen Geräten wilder Volksstämme herausstreckten. Das war das Boudoir meiner Freundin.
Ich trat in das Nachbarzimmer zurück und befand mich in einem hellen, wenig eigenartigen Salon Louis XV. in Erdbeerfarbe. Ein Diener trat ein und sagte: »Madame ist leidend. Sie bedauert, heute nicht empfangen zu können.«
Ich folgte ihm in den Hof, wo mich das Coupé erwartete. Der Kutscher brachte mich wieder an die Straßenecke zurück.
Alle vier bis fünf Tage erhielt ich nun ähnliche Einladungen nach den verschiedenen Vierteln, aber stets brachte mich das Coupé an dasselbe Ziel. Wir sprachen immer weniger zusammen. Was hätten sich auch zwei Menschen sagen sollen, die sich nur gegenseitig ihrer Körper bedienten zum Vorwand für die Orgien der Phantasie. Nicht mich, sondern den Satan liebte diese Frau. Und wenn sie in der Dunkelheit vor mir lag und schweigend litt, wie ich ihre Linien mit der Hand suchte, wenn mir war, als hätte ich im Gras des Gartens eine umgestürzte Statue gefunden, die unter meiner Berührung lebendig ward, dann liebte ich Lais, dann loderten Städte um mich auf, in die auf den Wink dieser Frau Brandfackeln geflogen waren, wie in meine Seele. Und nichts war mir ferner als der Wunsch, sie selbst einmal zu besitzen.
Vor allem schaffte sie mir zum ersten Mal im Leben die Befriedigung meiner quälenden Einbildungskraft. Die Liebesräusche der Vergangenheit und der Dichtung, die mir immer unerhörter, geheimnisvoller erschienen waren als die meinen, brauchte ich nun nicht mehr als schwächlicher Spätgeborener zu beneiden, ich wußte sie neu zu leben.
»Warte bis heute abend«, sagte ich mir, wenn sich die Phantasie in müßigen Bildern verschwendete, und es kamen Nächte, wo ich die Adria an die Marmorpaläste schlagen hörte, wo ich dichten Samt neben ihrer Haut fühlte, prunkenden Samt, unter dem ihre Glieder anzuschwellen schienen. Eine bös-schöne Dogaressa spielte mit mir und freute sich, daß ich um ihretwillen den Tod verachtete, den ihre Liebe kosten kann.
Oder aus ihrem Haar stieg der Duft der fränkischen Wälder, ihre Linien wurden weich wie die Lieder, die einst deutsche Mädchen abends am Brunnen sangen. Mädchen, die ihre Liebe scheu der Muttergottes abbetteln müssen, dann einmal alles vergessen können, sogar die heimliche Kapelle ihrer Kindergebete, und doch froh sind zu wissen, daß dort die Madonna lächelt, auch dann noch, wenn sie spät zu ihr zurückkommen werden, wenn er draußen in der Fremde ist und blendendere Frauen liebt.
Launenhafte Stunden kamen. Da rief das spitze kleine Gelächter meiner Geliebten kecke Herzoginnen der Régence hervor; ein fast herb duftender Puder gab ihrer Haut eine kranke Glätte. Und mir war, als sei das Gemach um uns hell und eng, eine Nuß, in der wir auf einem nicht ganz echten, jedenfalls sehr wenig wilden Meere schwammen. Und unsere Umarmung war wie von dünnen Goldfäden durchwirkt und umsponnen mit kleinen Schnörkeln, welche die Form von Mandeln hatten. An solchen Tagen war meine Geliebte sehr kitzlig.
Diese Ereignisse wären nicht möglich gewesen, hätte sie nicht eine Eigenschaft besessen, die man sonst einer Frau nicht leicht verzeiht. In Wirklichkeit war sie nämlich selbst gar nicht fühlbar; keine Laune, kein Scherz, kein Einfall, keine Wünsche, nichts Unvorhergesehenes.
Das, was sie brauchte, fand sie – ohne mein Zutun. Etwas mußte mich aber doch verstimmen. Wenn ich sie auch als mein Werkzeug betrachtete, so war ich noch mehr das ihre. Winkte sie, so kam ich, war sie meiner müde, so entließ sie mich. Erschien ich einmal aus Laune nicht, dann verlor sie darüber kein Wort. Nach einigen Tagen kam immer eine neue Einladung. Dieser Gleichmut ärgerte mich, ich beschloß, sie
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