senkt bestürzt den Kopf in das Schweigen des Freundes. Ihm ist, als werde jeder einzelne seiner Herzschläge von einer weiten, weißen Mauer aufgefangen. Als er den Blick wieder hebt, erscheinen ihm alle Gegenstände unsäglich gediegen und so prall von Leben, daß er meint, sie werden sich gleich von ihren Plätzen heben. Sein Glück ist wie eine Leiter, und er steht auf der obersten Sprosse und will immer höher steigen; er weiß, daß er's kann.
Crowes Bemerkung, daß die Schwestern Janice «herrichten», hängt ihm noch im Ohr, sie hat so einen seltsamen Maiköniginnen-Klang gehabt. Als man ihn zu ihrem Zimmer führt, denkt er, sie werde mit Schleifen im Haar daliegen und umkränzt von Papierblumen, die sich um die Bettpfosten winden. Aber es ist ganz die alte Janice, die dann da zwischen glatten Tüchern auf einem hohen Eisenbett liegt. Sie wendet ihm das Gesicht zu und sagt: «Schau her, wer kommt denn da!»
«He!» sagt er und geht zu ihr, um sie zu küssen. Er will es ganz sanft nur tun. Ihr Mund schwimmt in süßem Ätherdunst. Zu seinem Erstau nen zieht sie die Arme unterm Laken vor und legt sie ihm um den Kopf und zieht sein Gesicht zu ihrem weichen, glücklichen, schwimmenden Mund hinab. «Sachte, sachte», sagt er.
«Ich hab keine Beine», sagt sie, «das ist ein ulkiges Gefühl.» Ihr Haar ist glatt zurückgekämmt und zu einem Knoten geschlungen, und sie hat kein Make-up. Ihr kleiner Schädel hebt sich dunkel vom Kissen ab.
«Keine Beine?» Er sieht an ihr entlang, und da sind sie doch unter dem Bettuch, flach ausgestreckt in einem reglosen V.
«Sie haben mir ziemlich zum Schluß eine Narkose gegeben oder so was, und ich hab nicht das geringste gemerkt. Ich lag einfach da und hörte, wie sie sagten, ich soll nachdrücken, und dann war auch schon dies winzige, verschrumpelte Baby da, mit einem riesigen Mondge sicht, und es hat mich ganz böse angeguckt. Ich hab Mama gesagt, es sieht wie du aus, aber sie wollte das nicht hören.»
«Sie hat mich draußen ganz schön zusammengestaucht.»
«Mir wär's lieber gewesen, man hätte sie nicht reingelassen zu mir. Ich wollte sie nicht sehn. Ich wollte dich sehn.»
«Du wolltest mich sehn? Lieber Gott. Warum, Kleines? Wo ich so scheußlich zu dir war.»
«Nein, das warst du nicht. Man hat mir gesagt, daß du hier bist, und da hab ich die ganze Zeit über gedacht, daß es dein Kind ist, was jetzt kommt, und ich hatte das Gefühl, daß ich dich kriegte. Ich bin so voll mit Äther, daß ich mir richtig schwebend vorkomme. Völlig ohne Beine. Ich könnte immer so weiter reden.» Sie legt die Hände auf ihren Bauch und macht die Augen zu und lächelt. «Ich bin wirklich regelrecht betrunken. Guck, jetzt bin ich wieder flach.»
«Jetzt kannst du deinen Badeanzug tragen», sagt Rabbit und lächelt und läßt sich aufnehmen in die Drift ihres ätherumnebelten Geschwätzes; es kommt ihm selber so vor, als habe er keine Beine und treibe rücklings auf einem weiten Meer von Sauberkeit dahin, leicht wie eine Seifenblase inmitten der gestärkten Leintücher und sterilisierten Oberflächen, kurz vor Anbruch des Tags. Angst und Reue sind ausgelöscht, und die Dankbarkeit hat sich so rund gebläht, daß es keine scharfe Ecke mehr gibt, an der er sich stoßen kann. «Der Doktor sagt, du bist so brav gewesen.»
«Aber das ist ja ganz dumm, ich bin überhaupt nicht brav gewesen. Ich war gräßlich. Ich hab geschrien und gekreischt und immer gesagt, er soll seine Hände bei sich behalten. Aber das schlimmste war, als diese fürchterliche alte Nonne mich mit einem Trockenrasierer rasiert hat.»
«Arme Janice.»
«Nein, es war herrlich. Ich versuchte, ihre Zehen zu zählen, aber mir war so schwindelig, ich hab's nicht geschafft. Da hab ich ihre Augen gezählt. Zwei. Wollten wir ein Mädchen haben? Sag, daß wir ein Mädchen wollten.»
«Ja, ich wollte ein Mädchen.» Er stellt fest, daß er die Wahrheit sagt, aber erst, indem er's ausspricht, merkt er, daß es die Wahrheit ist.
«Jetzt hab ich jemanden, der mir beisteht gegen dich und Nelson.»
«Was macht Nelson?»
«Oh, jeden Tag hat er gefragt:
, bis ich ihn hätte prügeln können. Der arme kleine Kerl. Laß uns nicht davon reden, es ist zu traurig.»
«Verdammt», sagt er, und Tränen – er hat gar nicht gewußt, daß er so viele produzieren kann – laufen ihm brennend am Nasenrücken herunter. «Ich kann’s nicht glauben, daß ich das getan habe. Ich weiß nicht, warum ich weggelaufen