Hasenherz
ausschließlich auf das eine Ziel gerichtet – und die Nase ist wie ein geschliffener Schnabel dabei –: der Junge möge essen. Ihr Mund ist in weiße Fältchen gebettet. Dann glätten sie sich in einem Lächeln: Nelsons Lippen – Rabbit kann sie von seinem Beobachtungsposten nicht sehen – müssen die Bohnen ange nommen haben. Die andern am Tisch brechen in lautes Lob aus: verwischte Silben aus dem Mund des Vaters, schrille aus dem der Schwester; und beide Stimmen scheinen Rabbit seltsam dünn. Er hat die Glasscheibe zwischen sich und ihnen und das Rauschen des Blutes in seinem Kopf und kann nicht hören, was sie sagen. Der Vater ist gerade von der Arbeit gekommen und sitzt in einem druckerschwarze verschmierten blauen Hemd da, und wenn er für einen Augenblick innehält im Preisen seines Enkelsohns, dann sieht er alt aus, alt und müde und grau. Sein Hals ist ein faseriges Bündel von Sehnen. Die neuen Zähne, die er vor einem Jahr bekommen hat, haben sein Gesicht verändert, haben es um den Bruchteil eines Zentimeters einfallen lassen. Miriam ist ungeheuer aufgemacht: in Gold und Jett für den Freitag abend; sie stochert unlustig in ihrem Essen herum und hält dem Kind einen Löffel voll hin. Wie sie ihren schlanken, weißen, geschmückten Arm über den dampfenden Tisch streckt, das fügt einen barbarischen Akkord in die Komposition. Sie macht sich zu sehr zurecht; mit ihren neunzehn Jahren würde sie auch ohne grüne Augenlider hübsch genug aussehen. Sie hat keine schönen Zähne und bemüht sich deshalb, nicht zu lachen. Nelsons großer strubbeliger Kopf beugt sich nach vorn auf dem hellen Nacken, und die kleine Hand mit den rosigen Grübchen grabscht nach dem Löffel und will ihn Miriam wegnehmen. Pops Gesicht schlingert in ein Lachen über dem Teller, und Mims Mund birst in einem Grinsen, das die mühsam einstudierte Haltung ihres Gesichts sprengt und sie plötzlich wieder das kleine Mädchen sein läßt, dessen wehendes Haar Rabbit in die Augen flatterte, wenn sie vor ihm auf der Lenkstange saß und sie die steilen Straßen von Mt. Judge hinuntersau sten. Sie überläßt Nelson ihren Löffel, und der läßt ihn fallen. «Tlek- kern! Tleckern!» juchzt der kleine Junge, und das kann Rabbit hören und verstehen. Es bedeutet . Pop und Mim lachen und machen Bemerkungen, aber Mom hat den Mund energisch geschlossen und löffelt Nelson säuberlich die Bohnen ein. Harrys Junge wird gefüttert, dies Heim ist glücklicher als das seine. Rabbit macht den einen Schritt auf den Zementweg zurück und geht dann wieder auf dem stillen Grasstreifen davon.
Alles folgende tut er mit entschlossener Eile. Er geht die dunkle Jackson Street weiter hinunter, überquert die Joseph Street, läuft noch ein Stück weiter und sieht dann seinen Wagen dastehen, mit grinsendem Kühlerrost und ganz falsch geparkt, nämlich auf dieser Seite der Straße. Rabbit greift an seine Tasche, und Schrecken packt ihn. Er hat den Schlüssel nicht. Alles, seine ganze Idee, hängt jetzt davon ab, ob und wie Janice wieder geschlampt hat. Entweder sie vergißt, ihm den Schlüssel zu geben, wenn er aus dem Haus geht, oder sie macht sich gar nicht erst die Mühe, ihn aus der Zündung zu ziehen. Er versucht, sich vorzustellen, was diesmal wahrscheinlicher ist, aber es gelingt nicht. So gut kennt er sie nicht. Er weiß nie im voraus, was sie tut. Sie weiß es ja selber nicht. Sie ist eben dumm.
Die Rückseite, nicht die Vorderfront des großen Springer-Hauses, ist erleuchtet. Vorsichtig nähert er sich ihm im süßduftenden Schatten der Bäume, denn es kann sein, daß die alte Dame im verdunkelten Wohnzimmer auf ihn lauert, um ihm zu sagen, was sie denkt. Er geht um den Kühler seines Wagens herum, eines Ford aus dem Jahr fünf- undfünfzig, den ihm der alte Springer mit dem gelben Hitlerbärtchen neunzehnhundertsiebenundfünfzig für sage und schreibe tausend Dol lar verkauft hat, weil der feige Hund sich genierte – Autos sind nämlich sein Geschäft – weil er sich genierte, daß seine Tochter jemand heiraten sollte, der nur einen sechsunddreißiger Buick besaß. Rabbit hatte ihn dreiundfünfzig für hundertfünfundzwanzig Dollar gekauft, in Texas, als er beim Militär war. Einen Tausender mußte er sich aus den Rippen schneiden, obwohl er gerade noch für achtzig Dollar Reparaturen in den Buick gesteckt hatte. Ja, genau so war's. Wie man sich bettet, so liegt man eben. Er öffnet den rechten Schlag, zuckt zusammen bei dem rostigen Ton,
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