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Hasenherz

Hasenherz

Titel: Hasenherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Updike
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elektronische Geräte erzeugen und mit urtierhaften Gastanks, die sich über müllbedecktes Sumpfgebiet erheben, aber doch unterhalb des blauen Bergrückens bleiben, von dem aus Brewer sich wie ein warm leuchtender Teppich den Augen erschließt, dessen Gewebe nur eine Farbe hat, nämlich Ziegelrot.
    Rabbit überquert die Running-Horse-Brücke und findet sich auf Straßen, die er kennt. Er fährt durch die Warren Avenue im südlichen Teil der Stadt und stößt auf die 422 in der Nähe des City Park. Und dann fährt er in Gesellschaft von ein paar zischenden Lastern mit Anhängern um den Berg herum. Als er dann von der Central Street links wegbiegt, in die Jackson Road hinein, rammt er fast einen Milch wagen, der meterweit vom Kantstein entfernt, mitten auf der Straße herumlungert. Er fährt die Jackson Road ganz hinunter, am Haus seiner Eltern vorbei, und biegt in die Kegerise Alley ein, gleitet im klaren Dämmerlicht am alten Hühnerhaus und der schlafenden Auto spenglerei vorbei und hält vor dem Clubhaus des Sonnenschein-Sport vereins, aber nicht direkt vor dem überdachten Eingang, damit nicht jeder, der herauskommt, ihn sieht. Hoffnungsvoll schaut Rabbit zu den Fenstern im dritten Stock hinauf, aber nirgendwo zeigt sich ein Licht. Wenn Tothero überhaupt da ist, dann schläft er noch.
    Rabbit macht's sich selber zum Schlafen bequem. Er zieht sein Jackett aus und breitet es sich als Decke über die Brust. Aber der Morgen wird immer heller, und der Vordersitz ist viel zu klein, und das Lenkrad bedrängt seine Schultern. Er will nicht auf den Rücksitz umziehen, denn dann würde er sich wahrscheinlich nicht mehr aufraf fen können. Er will aber in der Lage sein, innerhalb einer Sekunde zu starten, wenn's drauf ankommt. Und außerdem will er nicht so fest schlafen, weil Tothero ihm sonst entwischen könnte, wenn er das Haus verläßt.
    So versucht er nun, dort zu liegen, mit angezogenen Beinen, ohne rechten Platz für die Füße, und mit verklebtem Blick starrt er über das Lenkrad hinweg durch die Windschutzscheibe in das flache, frische Blau des Himmels. Heute ist Samstag, und der Himmel ist von jener breiten, hellen, stumpfen Samstagsbeschaffenheit, die Rabbit noch von seiner Knabenzeit her in Erinnerung hat: der Himmel an einem Sams tagmorgen war damals wie die leere Punkttafel zu Anfang eines langen Spiels. Ein Wagen fährt vorbei, und Rabbit schließt die Augen, und die Finsternis bebt von den unaufhörlichen Motorengeräuschen der vergangenen Nacht. Er sieht wieder die Wälder, die enge Straße, den dunklen Park voller Autos, jedes eine Herberge schweigender Paarung. Er denkt wieder an das erträumte Ziel, sich im Morgengrauen in den Sand des Golfs von Mexiko zu betten, und in gewisser Weise scheint es ihm so, als sei dieser rauhe Autositz Sand und das Summen der erwa chenden Stadt das Rauschen des Meeres.
    Tothero darf ihm nicht entkommen. Er öffnet die Augen und versucht, sich aus seiner unbequemen Lage aufzurichten. Er überlegt, wieviel Zeit inzwischen wohl verstrichen ist. Der Himmel ist unverän dert.
    Auf einmal sind ihm die Autofenster wichtig. Er stützt sich auf einen Ellenbogen und richtet seinen Oberkörper auf und prüft sie alle. Das Fenster über seinem Kopf steht einen Spalt breit offen, und er kurbelt es fest zu und drückt alle Verschlußknöpfe runter. Diese Absicherung erleichtert ihn trostlos. Er dreht das Gesicht in den Knick zwischen Sitzfläche und Rückenlehne. Durch diese Körperwendung drücken sich seine Knie in das harte, senkrechte Polster; das verdrießt ihn und läßt ihn für einen Augenblick ganz wach werden. Er denkt darüber nach, wo sein Sohn wohl geschlafen hat, was Janice getrieben hat, wo überall seine Eltern und ihre Eltern ihn gesucht haben. Ob die Polizei wohl Bescheid weiß. Und er denkt, daß die verblichene Nacht hier, an diesem Ort, ein Netz ist aus Telefongesprächen, aus hastigen Autofahr ten hierhin und dorthin, aus Tränenrinnsalen und Wortschnüren – ein Netz, gewoben aus weißen Sorgenfäden in der Nacht, das jetzt, bei Licht, nicht mehr zu sehen ist, aber immer noch existiert, ein unsichtba res Netz, das über die steilen Straßen geworfen ist und in dessen Mitte er liegt, sicher in seinem abgeschlossenen, vielfenstrigen Schlupfloch.
    Baumwollfelder und Möwen im Zwielicht, und wie sie immer ge kommen ist auf dem Bett des andern Mädchens; später, auf ihrem eigenen, nie mehr so gut. Aber es hat später auch Gutes gegeben: er durfte ihren Körper nicht

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