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Hasenherz

Hasenherz

Titel: Hasenherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Updike
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dem Weg stehengeblieben, weil er nur einen Blick in die Karte tun wollte. Nun muß er hier weg. Er hat eine ganz blödsinnige Angst, überholt zu werden; das Scheinwerferlicht des andern schwillt im Rückspiegel und füllt ihn wie eine Tasse. Rabbit tritt die Kupplung durch, schaltet in den ersten Gang und gibt die Hand bremse frei. Er hoppelt auf die Autostraße und wendet sich instinktiv nach rechts, nach Norden.
    Die Fahrt heimwärts ist leichter. Er hat keine Karte mehr und kaum noch Benzin, aber kurz vor Hagerstown taucht wie durch Zauber eine Mobilgas-Tankstelle auf, die die ganze Nacht geöffnet hat, und grüne Schilder kündigen die Pennsylvania-Autobahn an. Die Musik im Radio ist beschwichtigend und lyrisch jetzt, die Titel werden nicht mehr genannt, und anfangs wird sie von Harrisburg gesendet und später von Philadelphia, und so ist sie wie ein Strahl, der ihm unfehlbar heimleuch tet. Rabbit hat die Schranke der Müdigkeit durchbrochen und ist in eine Welt flacher Gelassenheit getaucht, in der nichts mehr ihn bewegt. Ganz zum Schluß bei einem Basketballspiel pflegte er in diese Welt zu geraten. Du rennst nicht mehr, wie die Zuschauer glauben, des Spiels wegen, sondern nur für dich selbst, zum Zeitvertreib. Da bist nur noch du und manchmal der Ball und natürlich das Loch, das hochangebrach te, schöne runde Loch mit seinem hübschen Netzrock. Da bist du, nur du und dieser netzumhangene Ring, der manchmal bis auf deinen Mund runterkommt, so empfindest du's, und manchmal weit weg bleibt, steif und fern und klein. Du findest es blöde, daß die Menge immer dann erst jubelt oder stöhnt, wenn du schon längst alles in den Händen oder in den Armen gespürt hast, oder sogar in den Augen: wenn Rabbit sehr erhitzt war, konnte er deutlich sehen, wie die einzel nen Schnüre sich zu Schlingen legten und den Reifen einfaßten. Aber am Abend, kurz bevor es losgeht, wenn du rauskommst, um dich warmzuspielen, und du siehst all die Boys aus der Stadt, wie sie hinten auf der Tribüne sitzen und sich anstoßen, und die sportbegeisterten Mädchen, die mit den schickeren Lehrern schäkern, dann ist es, als ob die Menge mitten in dir wäre, in deiner Leber, deinen Lungen, deinem Magen. So ein dicker Kerl war damals immer dabei, der Rabbits Inne reien regelrecht umgestülpt hat. «He, Kanone! Schuß, Schuß!» Rabbit ist jetzt, in der Erinnerung, voller Zärtlichkeit für den Burschen; der hat in ihm so etwas wie einen Helden gesehen.
    Den ganzen frühen Morgen hindurch spült die Musik heran und weisen Schilder ihm den Weg. Er fühlt sich wie ein hinfälliger, aber geistig reger Kranker, der in hohen Kissengebirgen begraben liegt und ständig von Boten aufgesucht wird, die durch lange Korridore zu ihm eilen und ihm all diese Musik bringen und die neuesten geographischen Nachrichten. Und gleichzeitig hat er das Gefühl, als sei seine Oberflä che unnatürlich empfindsam, wie wenn seine Haut denke. Das Lenkrad ist dünn wie eine Peitschenschnur in seinen Händen. Er bewegt es ganz sacht nur und kann fühlen, wie die Vorderachse sich steif ausrichtet und die Gänge wechseln und die Lager rotieren in der schützenden Hülle ihrer Schmierung. Die phosphoreszierenden Markierungen am Stra ßenrand verführen ihn dazu, an junge Du Pont-Frauen zu denken: wie sie sich zu langen Ketten zusammenschließen und sich durch riesenhaf te, gläserne Gesellschaften winden, nackt unter ihren glitzernden Wick elgewändern.
    Er wundert sich, daß so viele Schilder in die Richtung weisen, in die er fährt, und so wenig in die, aus der er kommt. Allerdings wußte er auf dem Hinweg ja gar nicht, wohin er eigentlich fuhr. An der Grenze nimmt er die Straße nach Brewer, und sie führt ihn durch die Stadt, in der er zum erstenmal getankt hat. Als er in die Straße mit der Bezeich nung B REWER I einschwenkt, kann er schräg gegenüber auf der Haupt straße die Benzinpumpen des alten Schnüfflers sehen und das dunkle Schaufenster mit den blitzenden Schaufeln und den Angelruten. Das Fenster sieht aus, wie wenn sich’s freute. Ein Tupfen Helligkeit ist plötzlich in der Luft, und der lange Melodienfluß des Radios mündet in Schönwetter-Prognosen und Marktpreise.
    Er fährt Brewer von Süden her an; es bietet sich seinen Augen als mähliche Multiplikation von Häusern zwischen den Bäumen neben der Straße, dann als baumlose Industriewüstenei mit Schuh- und Flaschen fabriken und den dazugehörigen Parkplätzen, mit Strickfabriken, die jetzt

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