Hasenherz
Sonnenblume, die fürs Sonnenblumen bier dort blüht und einen grünen Neonstengel hat, der über sechs Stockwerke eines Gebäudes hochsprießt, und der gelbe Blütenkopf ist wie ein zweiter Mond. Und Autoscheinwerfer wimmeln durcheinan der wie Glühwürmchen im Gras. Einen Häuserblock weiter bimmelt hastig eine eintönige Glocke, und wie lange Messer senken sich die rotbemalten Eisenbahnschranken, schneiden sich durch die weiche Neonmasse, und der Verkehr wird langsamer, stockt.
Ruth wendet sich nach links, in die Mt. Judge-Richtung, und Rabbit folgt ihr. Sie gehen bergauf übers knirschende Pflaster. Die ansteigende Zementfläche ist eine verborgene Bestätigung, ein unerwartetes Echo des freien Landes, das hier war, bevor es die Stadt gab. Für Rabbit aber ist das Straßenpflaster einfach ein Abglanz der lichtvollen Transparenz des Daiquiri; er ist fröhlich und macht einen Hüpf er, um in Gleichschritt zu kommen mit seiner Liebsten. Ihre Augen sind aufwärts gerichtet, dorthin, wo das Gipfel-Hotel seine ungefüge Konstellation zu den Sternen über Mt. Judge gesellt. Schweigend gehen sie weiter, und hinter ihnen keucht und stampft ein Güterzug über den Schienen übergang.
Plötzlich weiß Rabbit, was ihn bedrückt: sie hat jetzt einen Wider willen gegen ihn, wie die Hure damals in Texas. «He», sagt er, «sind Sie je da oben gewesen?»
«Ja. Im Auto.»
«Als ich noch ein Junge war», sagt er, «stiegen wir immer von der andern Seite rauf. Da gibt's einen ziemlich finsteren Wald, und ich weiß noch, wie ich da einmal an so'n altes Gemäuer kam, einfach ein Loch in der Erde mit ein paar Steinen; ich glaube, da hat ein Siedler mal seine Farm gehabt.»
«Das einzigemal, daß ich da raufgekommen bin, war im Auto mit irgendeinem Kerl, der's gar nicht mehr erwarten konnte.»
«Ach so, wie fein für Sie», sagt er. Er ärgert sich über das Selbstmit leid, das sich hinter ihrem burschikosen Ton versteckt.
Sie ist wütend, daß sie sich diese Blöße gegeben hat. «Was glauben Sie wohl, wie egal mir Ihr Siedler ist?» fragt sie.
«Ich weiß nicht. Aber warum sollte es auch anders sein? Sie sind Amerikanerin.»
«Wieso? Ich könnte ebenso gut Mexikanerin sein.»
«Das könnten Sie nie, dazu sind sie nicht zierlich genug.»
«Wissen Sie was, Sie sind ein Schwein.»
«O nein, Baby», sagt er und schlingt den Arm um ihre Taillenmasse. «Ich glaube, ich bin ziemlich reinlich.»
«Ach, erzählen Sie mir nichts.»
Sie wendet sich nach links, von der Weiser Avenue weg und heraus aus seinem Arm. Sie sind jetzt in der Summer Street. Häuserreihen aus Backstein, nicht so sehr heruntergekommen als vielmehr in Ehren ergraut. Die Hausnummern sind über den Türen in Lünetten aus buntem Glas eingelassen. Im apfel- und orangefarbenen Licht eines kleinen Kolonialwarenladens sind die Gestalten von ein paar Bengeln zu erken nen, die sich in der Ecke herumlümmeln. Die Supermarkets schnüren diesen kleinen Läden das Leben ab, zwingen sie dazu, die ganze Nacht offen zu bleiben.
Er legt den Arm um sie und bittet: «Na komm, sei lieb.» Er will ihr zeigen, daß ihr ruppiger Ton nicht verfängt bei ihm. Sie will, daß er sich mit ihrem schweren Körper zufriedengibt, aber er will die Frauen ganz, will sie leicht wie Federn. Zu seiner Überraschung macht ihr Arm es dem seinen nach, schlingt sich ihm um die Taille. Aber in dieser Umklammerung geht es sich schlecht, und so lösen sie sich wieder voneinander bei der nächsten Kreuzung.
«Haben Sie mich nicht ein bißchen gemocht im Lokal vorhin?» fragt er. «Haben Sie gemerkt, wie ich versucht habe, dem alten Tothero etwas Selbstvertrauen einzuimpfen? Wie ich ihm immer gesagt habe, daß er so fabelhaft war?»
«Alles, was ich gehört habe, ist, daß Sie ständig erzählten, wie fabel haft Sie waren.»
«Ich war auch erstklassig. Es ist die Wahrheit. Heute tauge ich kaum noch zu irgendwas, aber damals war ich wirklich erstklassig.»
«Wissen Sie, was ich gekonnt habe?»
«Nein?»
«Kochen.»
«Das ist mehr, als meine Frau je gekonnt hat. Das arme Geschöpf.»
«Wissen Sie noch, wie man uns in der Sonntagsschule immer beige bracht hat, daß jede Kreatur, die Gott geschaffen hat, zu irgend etwas nutze ist? Na ja, ich hab eben zum Kochen getaugt. Ich dachte immer: lieber Gott, ich will eine gute Köchin werden.»
«Na und? Sind Sie's geworden?»
«Ich weiß nicht. Ich esse eigentlich nur auswärts.»
«Warum ändern Sie es nicht?»
«Das Geschäft bringt es so mit
Weitere Kostenlose Bücher