Hasenherz
liegt auf der Türklinke.
«Da rüber.»
«Du willst dich da ausziehen?»
«Ja.»
«Tu's nicht. Ich will dich ausziehen. Bitte.» Sein Begehren hat ihn zu ihr hingetrieben, er steht jetzt neben ihr und berührt ihren Arm.
Sie zieht den Arm unter seiner Hand weg. «Du bist schön happig.»
«Bitte. Bitte.»
Ihre Stimme ist kreischend vor Erbitterung. «Ich muß auf die Toi lette.»
«Aber komm angezogen wieder.»
«Ich muß auch noch was anderes tun.»
«Nein, tu's nicht. Ich weiß, was es ist. Ich hasse es.»
«Du merkst es nicht.»
«Aber ich weiß, daß es da ist. So ein kleines Gummidings, nicht?»
Ruth lacht. «Hast du vielleicht einen andern Vorschlag? Willst du was unternehmen?»
«Nein. Das hasse ich noch mehr.»
«Hör zu, ich weiß nicht, was du denkst, wozu deine fünfzehn Dollar dich ermächtigen, aber ich muß mich schließlich schützen.»
«Wenn du da irgendwelche technischen Vorkehrungen treffen willst, dann gib mir die fünfzehn Dollar zurück.»
Sie versucht, sich ihm zu entwinden, aber jetzt hat er ihren Arm gepackt, den er eben nur berührt hat. «Sag mal, denkst du eigentlich, wir sind verheiratet oder sowas, daß du mich so herumkommandierst?» fragt sie.
Wieder überspült ihn die durchsichtige Woge, und er spricht zu ihr mit kaum noch hörbarer Stimme. «Ja, laß uns verheiratet sein.» Ihre Arme hängen an ihr herunter, und sie kann sie gar nicht so rasch heben, wie er sich zu ihren Füßen hinkniet und die Stelle an ihrem Finger küßt, wo ein Ring stecken könnte. Und da er nun einmal unten ist, macht er sich daran, die Schnallen an ihren Schuhen zu lösen. «Warum tragt ihr Frauen hohe Absätze?» fragt er und hebt ihren einen Fuß hoch, so daß sie ihm in die Haare greifen muß, um sich festzuhalten. «Tun sie euch nicht weh?» Er schleudert den Schuh, scheußliches Riemenwerk, durch die offene Tür ins andere Zimmer und macht es mit dem zweiten genauso. Ihre beiden Füße stehen jetzt flach auf dem Boden, und das gibt ihren Beinen bis hinauf Festigkeit. Er schließt die Hände um ihre Fesseln und reibt kräftig auf und nieder, hin und her zwischen den schweren Knöcheln und dem runden, massiven Wadenansatz. Er hat eine nervöse Art zu massieren.
«Komm, laß sein», sagt Ruth mit angespannt klingender Stimme; sie ist nah am Hinfallen, sein ganzes Gewicht hängt an ihren Beinen. «Geh ins Bett.»
Er wittert die Falle. «Nein», sagt er und steht auf. «Du willst dir nur so eine fliegende Untertasse reinschieben.»
«Nein, ich tu's nicht. Hör zu, du merkst es gar nicht, ob ich's getan habe oder nicht.»
«Doch, ich merke es. Ich bin sehr feinfühlig.»
«O mein Gott. Auf jeden Fall muß ich auf die Toilette.»
«Na los, geh, mich stört's nicht», sagt er und hindert sie daran, die Badezimmertür zu schließen. Sie setzt sich hin, wie Frauen es eben tun, sehr adrett. Zu Hause haben er und Janice viel Zeit damit verbracht, Nelson an die Toilette zu gewöhnen, und als er da so in der Tür lehnt, fühlt er einen lächerlichen, väterlichen Drang, sie zu loben. Sie ist so appetitlich.
«Braves Mädchen», sagt er, als sie aufsteht , und er führt sie ins Schlafzimmer. Die Kanten der Türfüllung, durch die sie gehen, sehen sehr wachsam und scharf aus. Sie werden immer dort sein. Hinter ihnen sprudelt und gurgelt die Wasserleitung. Ruth bewegt sich mit scheuer Ungelenkigkeit, sie ist eingeschüchtert von seinem Willen. Er zittert wieder, ist selber verlegen, hält sie fest am Fuß des Bettes und sucht nach dem Verschluß ihres Kleides. Er findet Knöpfe hinten am Rücken, bringt sie aber nicht auf; seine Hände sind zu ungeschickt.
«Laß mich's machen.»
«Dräng doch nicht so, ich werde es machen. Du sollst das genießen. Schließlich ist es unsere Hochzeitsnacht.»
«Hahaha.»
Er haßt dies spöttische Reagieren bei ihr. Er dreht sie ruppig zu sich herum und reagiert auf seine Weise: wird überkommen von dem tiefen Wunsch, ihr Frieden und Wärme zu geben. Er berührt ihre gepuderten Wangen; sie wirkt so klein, als er niedersieht in ihr verdrossenes, starres, verschattetes Gesicht. Er schmiegt seine Lippen in ihre eine Augenhöhle, ganz zart, versucht zu sagen, daß nichts eilt in dieser Nacht, versucht, mit seinen Lippen dem zaghaften Puls zu lauschen, der in der Wölbung ihres Lids schlägt. Gewissenhaft, damit das eine nicht bevorzugt werde, küßt er auch das andere Auge, und er fürchtet, sie wird das komisch finden. Er merkt plötzlich, wie zärtlich er ist,
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