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Hasenherz

Hasenherz

Titel: Hasenherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Updike
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Städte, eine Frau in Weiß unter einem Baum, an dem je des Blatt golden umrandet ist, eine pedantische Ziegel-für-Ziegel-Wie- dergabe der St. John's-Episkopalkirche, entstanden neunzehnhundert- siebenundzwanzig und groß signiert mit , die Buchstaben sind kunstvoll ineinandergeschlungen. Auf halbem Weg im Korridor steht ein kleiner Tisch, und darüber hängt eine Atelierfoto grafie, die einen alten Herrn darstellt mit weißen Haar über den Ohren und einem Pastorenkragen; er schaut einen so unverwandt aus dem Rahmen an, als dringe sein Blick geradenwegs ins Herz aller Dinge. Im Rahmen steckt noch eine andere Photographie, eine ganz vergilbte, die aus einer Zeitung herausgeschnitten ist und unter einem groben Raster denselben alten Stutzer darstellt: hier hält er eine Zigarre und lacht wie ein Schwachsinniger mit drei andern in Soutanen gekleideten Herren um die Wette. Er sieht ein bißchen wie Jack aus, nur dicker und gewichtiger. Er hält die Zigarre in der zur Faust geballten Hand. Ein Stückchen weiter an der Wand hängt ein Farbdruck nach einem Gemäl de, welches das Innere einer Werkstatt darstellt: der Zimmermann arbeitet im Lichtschein, der vom Kopf seines Gehilfen ausgeht. In der Glasscheibe, die den Druck schützt, sieht Rabbit die Umrisse seines eigenen Kopfes. Dies trüb spiegelnde Glas reflektiert seine Aufmerk samkeit, die überall und nirgends ist, an keinem Punkt hängenbleibt. Ein scharfer Geruch ist im Flur: ein Fleckenreiniger vielleicht oder Möbelpolitur oder Mottenkugeln? Alte Tapeten? Er schwankt zwi schen diesen Möglichkeiten, er, «der Mann, der verschwunden ist». «Sexueller Antagonismus beginnt praktisch bei der Geburt.» Was für ein Luder sie ist. Aber mit einer hübschen kleinen Flamme inwendig, die auch in ihren Beinen züngelt. Diese blanken, weißen Beine. Sicher hat sie einen gierigen kleinen Schlund und ist darauf bedacht, daß sie auch was hat von der Sache. Er mag sie, auch wenn's ihr nicht paßt.
    Es muß hinten noch eine Treppe geben, denn plötzlich hört er Eccles’ Stimme aus der Küche: er überredet Joyce dazu, einen Pullover anzu ziehen, fragt Lucy, ob der Kuchen nun verdorben ist, und erklärt, nicht wissend, daß Rabbits Ohren so nah sind: «Glaub nicht, daß das jetzt so ein Vergnügen für mich ist. Es gehört zum Beruf.»
    «Gibt es keine andere Möglichkeit, mit ihm zu reden?»
    «Er hat Angst.»
    «Liebchen, für dich hat jeder Angst.»
    «Aber er hat sogar vor mir Angst.»
    «Na, zur Haustür ist er aber ganz schön munter reingekommen.»
    Jetzt ist es soweit:
        Aber in Wirklichkeit hat Lucy nichts mehr gesagt nach , und Eccles redet inzwischen von ganz etwas anderem: ob Sound so angerufen habe und wo die neuen Golfbälle seien, Joyce, du hast doch gerade vor zehn Minuten ein Plätzchen bekommen! und sagt schließlich, mit einer Stimme, die allzu glatt klingt, so tut, als seien die Schrammen des Streits von vorhin längst verheilt, auf Wiedersehn. Rabbit schleicht über den Korridor zurück und steht gegen die Hei zung gelehnt, als Eccles wie eine junge Eule scheu und verdrossen aus der Küche lugt.
    Sie gehen zum Auto. Die grüne Haut des Buick ist tropisch wächsern unter der Regendrohung. Eccles zündet sich eine Zigarette an, und auf der Straße 422 fahren sie ins Tal hinunter, zum Golfplatz. Eccles tut ein paar tiefe Atemzüge, die er alle im Brustkasten aufzubewahren scheint, und sagt: «Die Schwierigkeit bei Ihnen ist also nicht mangelnder Glaube.»
    «Häh?»
    «Mir ist unsere Unterhaltung von neulich eingefallen. Die vom Was serfall und dem Baum.»
    «Ah ja, richtig. Ich hab das von Mickey Mouse geklaut.»
    Eccles lacht überrascht. Rabbit beobachtet, daß sein Mund offen bleibt nach dem Lachen, daß die kleinen einwärtsgekippten Zähne einen Augenblick lang warten und die Brauen erwartungsvoll auf und nieder rucken. «Das verblüfft mich», gibt er zu und sperrt dann die kokette kleine Höhle zu. «Sie haben aber noch was anderes gesagt, nämlich, daß Sie wüßten, was in Ihnen ist. Das ganze Wochenende über habe ich mir überlegt, was das wohl sein könnte. Können Sie es mir sagen?»
    Rabbit will ihm überhaupt nichts sagen. Je mehr er sagt, desto mehr verliert er. Er ist sicher in seiner eigenen Haut, er will nicht aus sich herauskommen.

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