Hasenherz
Blut, und diese heftige Reaktion, wie ein Funke aus felshartem Gestein, paßt so wenig zu der trägen, herablassenden Gewogenheit, mit der er ihr entgegenkommt, daß er eine drollige Grimasse schneidet: in komisch-tölpelhafter Reumütigkeit die Oberlippe über die untere schiebt.
Ohrenbetäubendes Gepolter auf der Treppe erschüttert die Wände. Eccles stürzt herein, kommt knapp vor ihnen, völlig aus dem Gleichgewicht, zum Stillstand und stopft ein schmutzig-weißes Hemd in zerknitterte Popelinehosen. Seine dämmerigen Augen unter den dichtbewimperten Lidern tränen. «Tut mir leid», sagt er, «aber ich hatte es nicht ganz und gar vergessen.»
«Es ist sowieso bewölkt draußen», sagt Rabbit und lächelt unwillkürlich. Ihr Hinterteil hat sich so gut angefühlt, genau richtig, fest, aber elastisch, ein Hintern, der sozusagen zurückklapst. Er nimmt an, daß sie's weitersagen wird, und dann ist er das letztemal hier gewesen. Auch egal. Er weiß ohnehin nicht, warum er hier ist.
Vielleicht hätte sie es wirklich gesagt, aber in diesem Augenblick ist es ihr Mann, der ihr Verdruß macht. «Ach, ich bin sicher, wir können doch noch neun Löcher spielen, bevor es regnet», sagt er, zu Rabbit gewandt.
«Jack, du willst doch nicht im Ernst jetzt schon wieder Golf spielen! Du hast gesagt, du müßtest noch so viele Besuche machen heute nachmittag.»
«Ich habe ja schon heute morgen Besuche gemacht.»
«Zwei. Gerade zwei. Bei Freddy Davis und Mrs. Landis. Immer da, wo's gar nicht nötig ist. Und was ist mit Ferrys? Seit sechs Monaten liegst du mir in den Ohren mit denen.»
«Was soll denn so wichtig sein an den Ferrys? Sie tun nicht das geringste für die Kirche. Sie war am ersten Weihnachtstag da und ging dann zur Chortür raus, damit sie mir nicht zu begegnen brauchte.»
«Natürlich tun sie nichts für die Kirche, und deshalb solltest du mit ihnen reden, das weißt du sehr gut. Ich finde überhaupt nichts Wichtiges an den Ferrys, außer dem Umstand, daß du seit Monaten darüber sinnierst, warum sie wohl zur Seitentür rausgegangen ist, und allen um dich rum das Leben versauerst. Wenn sie jetzt Ostern kommt, wird genau dasselbe passieren. Ich will dir mal meine Meinung sagen: du und Mrs. Ferry, ihr würdet großartig zusammen passen, ihr seid beide gleich kindisch.»
«Lucy, nur weil Mr. Ferry eine Schuhfabrik besitzt, ist er als Christ nicht wichtiger als einer, der nur in einer Schuhfabrik arbeitet.»
«O Jack, du kannst einem auf die Nerven gehn. Du hast bloß Angst davor, abgewiesen zu werden, und komm mir nicht mit der Heiligen Schrift, um dich zu rechtfertigen. Mir ist es einerlei, ob die Ferrys zur Kirche kommen oder wegbleiben oder zu den Zeugen Jehovas überwechseln.»
«Die Zeugen Jehovas setzen wenigstens in die Tat um, was sie zu glauben behaupten.» Eccles dreht sich zu Harry hin und lacht ihm verschwörerisch zu nach dieser schlagenden Bemerkung, und Bitterkeit verkrüppelt sein Lachen, zieht seine Lippen fest nach innen, und die Zähne treten aus seinem schmalkiefrigen Kopf hervor wie aus einem Totenschädel.
«Ich weiß nicht, was du damit sagen willst», sagt Lucy, «aber als du mich gefragt hast, ob ich dich heiraten will, da habe ich dir gesagt, was ich fühle, und du hast gesagt, gut, in Ordnung.»
«Ich habe gesagt, gut, in Ordnung, solange dein Herz offen bleibt für die Gnade .» Eccles gießt diesen Satz in hohem, angestrengtem Strom über sie aus, und seine breite Stirn brennt dabei in tiefem Rot.
«Mammi, ich hab ausgeschlafen.» Die kleine Stimme bricht schüchtern zwischen sie ein, überfällt sie aus dem Hinterhalt. Ganz oben auf der teppichbelegten Treppe hängt ein kleines braunes Mädchen in kurzen Höschen überm Geländer. Es kommt Rabbit zu dunkel vor, als daß es zu diesen Eltern gehören könnte, zu düster da oben in den Schatten, auf nur in Umrissen erkennbare kräftige Beinchen gestemmt, die noch ganz rund sind von Babyspeck. Mit den Händen reibt und knufft es sich zornig die nackte Brust. Es weiß schon, was die Mutter antworten wird, obwohl die noch gar nicht den Mund aufgemacht hat.
«Joyce. Du gehst sofort in dein Bett und schläfst .»
«Ich kann nicht. Es ist so viel Krach hier.»
«Wir haben genau unter ihr herumgeschrien», erklärt Eccles seiner Frau.
« Du hast geschrien. Über Gnade.»
«Ich hab so einen schrecklichen Traum gehabt», sagt Joyce und kommt tapsig zwei Stufen weit herunter.
«Das hast du nicht. Du hast überhaupt nicht
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