Hasenherz
Sie an die Hölle?»
«Ja, ich denke schon. An die Hölle, wie Jesus sie hingestellt hat. Als Trennung von Gott.»
«Na ja, ich glaube, wir leben alle mehr oder weniger in ihr.»
«Das glaube ich ganz und gar nicht. Ich glaube, nicht mal der schwärzeste Atheist hat eine Vorstellung davon, wie diese Trennung sein wird. Äußere Finsternis. Worin wir leben, das könnte man» – er sieht Harry an und lacht – «innere Finsternis nennen.»
Als Eccles all dies so ganz unaufgefordert von sich gibt, schmilzt Rabbits Vorsicht. Er möchte jetzt auch etwas von sich in den Raum zwischen sie stellen. Die Erregung der Freundschaft, die Erregung des Wetteifers reißt ihm die Hände in die Höhe, schüttelt sie hin und her. als seien Gedanken Basketbälle, und treibt ihn zu sagen: «Wissen Sie, ich versteh nichts von diesem theologischen Kram, aber ich will Ihnen was sagen. Ich habe das Gefühl, daß irgendwie hinter all diesem» – er zeigt hinaus in die Landschaft; sie fahren gerade an der Siedlung dies seits des Golfplatzes vorbei, lauter anderthalbstockwerkhohe Häus chen, halb aus Holz, halb aus Backstein, die in kleinen, flachen, aufge schütteten Gärten mit Kinderdreirädern und spindeldürren dreijähri gen Bäumchen liegen: die unbedarfteste Landschaft der Welt – «ja, daß hinter all diesem etwas ist, das darauf wartet, von mir entdeckt zu werden.»
Eccles drückt sorgfältig seine Zigarette aus in dem winzigen, über kreuz eingekerbten Aschenbecher. «Natürlich, alle Streuner denken, sie seien auf der Suche. Am Anfang zumindest.»
Rabbit sieht nicht ein, wieso er diesen Hieb verdient hat. Jetzt, da er sich so bemüht, dem andern auch etwas zu geben. Er nimmt an, daß Geistliche nun mal nicht anders können, als alle Menschen auf dieselbe erbärmliche Größe zurechtzuschneiden. «Na, ich finde, das setzt Ihren Freund Jesus aber in ein ganz schön blödes Licht», sagt er.
Der heilige Name ruft rosa Flecken auf Eccles’ Wangenknochen hervor. «Dafür hat er ja auch gesagt, daß Heilige nicht heiraten sollen.»
Sie biegen von der Straße ab und schwenken in die gewundene Auffahrt zum Clubhaus ein, einem großen Blockhaus, an dem vorn ein langes Schild angebracht ist mit der Aufschrift G OLFPLATZ K ASTANIEN HAIN , links und rechts flankiert von den Coca-Cola-Insignien. Als Harry hier Balljunge war, gab es nur eine Bretterbude an dieser Stelle, mit einem Holzofen drin und vielen Tabellen von früheren Turnieren und zwei Sesseln und einem Ladentisch für die Süßigkeiten und die Golfbälle, die die Jungen aus dem Sumpf fischten und die Mrs. Wenrich dann wieder verkaufte. Mrs. Wenrich wird jetzt wohl tot sein, denkt er. Sie war eine ungemein zierliche alte Witwe und sah wie eine Puppe aus mit ihrem weißen Haar und dem Rouge auf den Wangen, und es kam einem immer merkwürdig vor, Worte wie Grün und Rasen und Turnier aus ihrem Mund kommen zu hören. Eccles parkt den Buick auf dem Asphaltplatz und sagt: «Bevor ich's vergesse.» Rabbits Hand liegt auf dem Türgriff. «Was?»
«Brauchen Sie Arbeit?»
«Welcher Art?»
«Eins von meinen Pfarrkindern, eine Mrs. Horace Smith, hat über hundert Morgen Gartenland um ihr Haus herum, gegen Appleboro zu. Ihr Mann ist ein unglaublicher Rhododendron-Narr gewesen. Ich sollte das so nicht sagen, er war ein ganz besonders netter alter Herr.»
«Ich versteh überhaupt nichts von Gärtnerei.»
«Niemand versteht was davon, genau das sagt Mrs. Smith immer. Es gibt keine Gärtner mehr. Keine für vierzig Dollar die Woche, das glaube ich ihr.»
«Ein Dollar pro Stunde. Das ist ein kläglicher Lohn.»
«Es würden ja keine vierzig Stunden sein. Sie könnten sich Ihre Zeit einteilen. Das ist es doch, was Sie wollen, nicht wahr? Sich Ihre Zeit einteilen. Sie sind also ganz frei, um zum Volk zu predigen.»
Eccles hat tatsächlich einen Hang zur Gemeinheit. Er und Belloc. Ohne den Kragen um den Hals zeigt er's ganz deutlich. Rabbit steigt aus dem Auto. Eccles auch, und sein Kopf schaut übers Autodach, liegt da wie ein Haupt auf der Schüssel. Der große Mund bewegt sich. «Bitte, erwägen Sie diesen Vorschlag.»
«Ich kann nicht. Vielleicht bleibe ich gar nicht in der Gegend.»
«Will das Mädchen Sie rauswerfen?»
«Welches Mädchen?»
«Wie heißt sie doch noch? Leonard. Ruth Leonard.»
«Was Sie nicht alles wissen!» Wer könnte ihm das gesteckt haben? Peggy Gring? Oder kommt's aus Totheros Ecke? Hört sich ganz so an, als sei es Totheros Mädchen gewesen, diese
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