Hasenherz
Alles, worauf dieser Bursche es abgezielt hat, ist, ihn herauszulocken aus sich selber und dann nach seinem Gutdünken mit ihm zu verfahren. Aber die schiere Höflichkeit zwingt Rabbit doch die Lippen auseinander. «Ach Gott, da ist nicht viel zu sagen», sagt er. «Es ist nicht viel, es ist eben nur – alles. Meinen Sie nicht auch?»
Eccles nickt und blinzelt und fährt weiter, ohne ein Wort zu sagen. Die Falle steht bereit; verdammt, er ist so sicher, daß ich ihm doch noch reingehe. «Wie geht es Janice jetzt?» fragt Rabbit.
Eccles ist überrascht, als er merkt, wie der andere ihm davonschwimmt. «Ich fuhr Montag bei den Springers vorbei, um zu sagen, daß Sie im Lande sind. Ihre Frau war im Garten mit dem Jungen und noch einer andern Dame, einer alten Freundin, glaube ich, Mrs. Foster oder Fogleman?»
«Wie sah sie aus?»
«Kann ich nicht genau sagen. Ihre Sonnenbrille hat mich so irritiert. Eine mit Spiegelglas und sehr breiten Bügeln.»
«Ah, Peggy Gring. Dieser Schwachkopf. Sie ist mit dem dusseligen Fosnacht verheiratet.»
«Fosnacht, richtig. Wie die Krapfen. Ich wußte doch, daß der Name eine lokale Bedeutung hat.»
«Haben Sie nie vom Fosnacht-Tag gehört, bevor Sie hierher kamen?»
«Nein, nie. In Norwalk gibt's das nicht.»
«Ich kann mich noch erinnern, als ich so sechs oder sieben war, ja, so lange muß es her sein, mein Großvater starb nämlich neunzehnhun- dertvierzig, da hat er oben gewartet, bis ich unten war, damit ich nicht der Fosnacht werde. Damals hat er bei uns gewohnt.» Es kommt ihm vor, als habe er seit Jahren schon nicht mehr von seinem Großvater gesprochen oder an ihn gedacht; ein milder, trockener Geschmack kommt ihm auf die Zunge.
«Was war denn die Strafe dafür, wenn man Fosnacht war?»
«Das hab ich vergessen. Fosnacht, das wollte man eben nicht sein. Warten Sie. Ich kann mich erinnern, daß ich einmal der letzte war, der die Treppe runterkam, und meine Eltern oder sonstwer haben mich aufgezogen, und mir war das verhaßt, und ich glaube, ich hab geweint, ich weiß nicht mehr. Auf jeden Fall ist mein Großvater aus diesem Grund das nächste Mal oben geblieben.»
«Er war der Vater Ihres Vaters?»
«Nein, der Vater meiner Mutter. Er hat bei uns gewohnt.»
«Ich kann mich noch an den Vater meines Vaters erinnern», sagt Eccles. «Er kam immer nach Connecticut und hatte fürchterliche Aus einandersetzungen mit meinem Vater. Mein Großvater war Bischof von Providence und wollte seine Kirche davor retten, daß sie von den Unitariern eingesteckt wird, und dabei wurde er beinah selber Unitarier. Er nannte sich immer einen darwinischen Deisten. Mein Vater wurde dann sehr orthodox, aus reiner Opposition, glaube ich, er war nahezu anglokatholisch. Er hat Belloc und Chesterton verehrt. Er hat uns immer diese Gedichte vorgelesen, gegen die sich meine Frau vorhin so gewehrt hat, Sie haben's ja gehört.»
«Über den Löwen?»
«Ja. Belloc hat so einen bittern Spott, den meine Frau nicht ausstehen kann. Er macht sich über Kinder lustig, und das verzeiht sie ihm nicht. Es verträgt sich nun mal nicht mit ihren psychologischen Ansichten. Kinder sind heilig in ihrer Psychologie. Was wollte ich eigentlich sagen? Ach ja: trotz seiner ganzen verwässerten Theologie hatte mein Großvater sich in seiner religiösen Praxis eine gewisse Farbigkeit be wahrt, eine Kraft, die mein Vater verloren hatte. Großvater fand, daß es von Papa eine ganz extreme Nachlässigkeit sei, nicht jeden Abend eine Familienandacht abzuhalten. Und mein Vater pflegte dazu zu sagen, er wolle seine Kinder nicht genauso mit Gott anöden, wie er früher angeödet worden sei, und überdies, was für einen Nutzen habe es, einen Dschungelgott im Wohnzimmer anzubeten? fragte mein Großvater dann. Und so weiter. Meine Brüder und ich, wir zitterten immer, denn Papa geriet in fürchterliche Depres sionen, wenn sein Vater mit ihm stritt. Sie wissen ja, wie es mit Vätern ist, man wird nie den Gedanken los, daß sie vielleicht doch im Recht sind. Er war ein kleiner, vertrockneter alter Mann mit einem Yankee- Akzent und wirklich ganz besonders nett. Ich weiß noch, wie er uns bei den Mahlzeiten mit seiner braunen, knochigen Hand am Knie faßte und krächzte: «Ist wahr? Und glauben
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