Hasenherz
geschlafen.»
Mrs. Eccles geht an den Fuß der Treppe und faßt sich zierlich an den Hals.
«Wovon hast du denn geträumt?» fragt Eccles seine Tochter.
«Von einem Löwen, der einen Jungen gefressen hat.»
«Das ist überhaupt kein Traum», schnappt Mrs. Eccles, und zu ihrem Mann gewandt: «Das kommt nur von diesen unausstehlichen Belloc-Gedichten, die du ihr ja partout immer vorlesen mußt.»
«Sie will sie aber hören.»
«Sie sind fürchterlich. Das Kind kriegt nur ein Trauma davon.»
«Joyce und ich finden, daß sie lustig sind.»
«Na, ja, ihr habt ja auch alle beide einen ganz schön pervertierten Sinn für Humor. Jeden Abend fragt sie mich nach diesem verdammten Pony Tom, und was bedeutet.»
«Sag ihr, was es bedeutet. Wenn du ebenso wie Belloc und ich ans Übernatürliche glaubtest, dann würden dich solche völlig natürlichen Fragen nicht derart aus der Fassung bringen.»
«Wiederhol dich doch nicht immer so, Jack, du bist scheußlich, wenn du ewig dasselbe sagst.»
«Ich bin scheußlich, wenn ich mich selber ernst nehme, meinst du.»
«He, es riecht nach angebranntem Kuchen», sagt Rabbit.
Sie sieht ihn an, erkennt ihn wieder, und ihr Blick gefriert. Er spürt zwar, daß gleichsam ein kalter Ruf in ihren Augen ist, ein schwacher Hilfeschrei gegen die Übermacht der Feinde, aber er will's nicht wahr haben; er hebt seinen Kopf über den ihren empor und läßt sie seine sensiblen Nasenlöcher sehen, die den anbrennenden Kuchen gewittert haben. Die kräftige Wölbung ihres Schädels unter dem kurzgeschnitte nen, bauschigen Haar läßt darauf schließen, daß sie über einen unge mein genauen Leisten geschlagen ist.
« Wenn du dich nur ernst nehmen würdest!» sagt sie zu Eccles, und auf geschwinden nackten Beinen eilt sie durch den düsteren Korridor des Pastorats davon.
«Joyce, geh in dein Zimmer und zieh dir ein Hemd an, dann kannst du runterkommen!» ruft Eccles hinauf.
Das kleine Mädchen macht statt dessen drei weitere Schritte die Treppe hinab.
«Joyce, hast du nicht gehört?»
«Du holst es, Papiii.»
«Wieso denn ich? Pappi ist die ganze Zeit hier unten.»
«Ich weiß nicht, wo es ist.»
«Doch, du weißt es. Mitten auf deiner Kommode.»
«Ich weiß nicht, wo meine Kommode ist.»
«In deinem Zimmer, mein Herz. Du weißt doch ganz genau, daß sie da ist. Du ziehst dir jetzt dein Hemd an, und dann darfst du runterkommen.»
Aber sie ist schon fast unten.
«Ich habe Angst vor dem Löööwen», singt sie und lächelt dabei und verrät damit, daß sie sehr wohl weiß, wie frech sie ist. Ihre Stimme klingt vorsichtig und gedehnt. Rabbit ist dieser ein wenig ängstliche Ton auch schon bei der Mutter aufgefallen, als die ihr Spielchen mit dem Mann trieb, und er versteht nicht, warum Eccles das nicht ausnützt und einen Keil in diese Furchtritze treibt und seine Autorität wieder herstellt. Allerdings wüßte er selber nicht, wie das zu machen wäre.
«Da oben gibt es keinen Löwen. Niemand ist da, nur Bonnie, und die schläft. Bonnie hat keine Angst.»
«Bitte, Papi. Bitte, bitte, bitte, bitte, bitte .» Sie ist am Fuß der Treppe angekommen und umklammert und preßt ihres Vaters Knie.
Eccles lacht und versucht, sich am Kopf seiner Tochter festzuhalten, der sehr breit ist und flach wie sein eigener. «Na gut», sagt er. «Warte hier und unterhalte dich mit diesem lustigen Herrn.» Und mit der bei ihm unvermuteten athletischen Behendigkeit springt er die Treppe hinauf.
Rabbit fragt: «Joyce, bist du ein braves Mädchen?»
Joyce wackelt mit dem Bauch und zieht den Kopf zwischen die Schultern, und ein kleiner gutturaler Laut löst sich aus ihrer Kehle: ggkk . Sie schüttelt den Kopf; Rabbit hat den Eindruck, als wolle sie sich hinter einem Grübchenvorhang verstecken. Aber mit überraschend steifem Nachdruck sagt sie: «Ja.»
«Und ist deine Mammi auch brav?»
«Ja.»
«Warum ist sie so brav?» Er hofft, daß Lucy in der Küche ihn hört. Die raschen Ofengeräusche sind verstummt.
Joyce sieht auf zu ihm, und wie ein Tuch, das man an einem Zipfel zusammenrafft, so kräuselt sich ein Zipfel ihres Gesichts vor Angst. Die Tränen scheinen sogar nah. Die tappelt von ihm weg, den Korridor entlang, auf demselben Weg, den ihre Mutter gegangen ist. So ganz allein gelassen, spaziert Rabbit mit unbehaglichen Gefühlen im Korri dor umher und versucht, seiner Aufregung beizukommen, indem er sich mit den Bildern beschäftigt, die an den Wänden hängen. Ansichten fremdländischer
Weitere Kostenlose Bücher