Hasstament
wenig reflektiert und ist deshalb auch, so wie bei Kaya, als Vorzeigekultur vereinnahmt worden.
Die Realität war und ist anders. Türken, die eine solche Sprache sprechen (A. d. R.: wie in den Texten von Zaimo ğ lus Kanak-Sprak), sind die Minderheit. Doch wer kann überhaupt sagen, wie viele Türken in Deutschland ein ganz hervorragendes Deutsch sprechen? Insofern war dieser Weg trotz aller Verlockung für mich auch zu vereinfachend und damit auch ein Verrat an meiner eigenen Identität. Denn immer wenn ich Rollen angeboten bekam, habe ich gemerkt, dass sich die Leute schon längst auf dieses Ethno-Label gesetzt haben und nicht mich, sondern mein Image haben wollten.
Ja, ich habe es sogar oft eher als Hindernis empfunden, Vorurteile widerlegen zu müssen, welche meine eigenen Landsleute mir in den Weg gelegt hatten. Es war zwar ein positiver Versuch, sich aus einer Zuschreibungsfalle zu befreien, aus den Klischees, die andere den Türken gegeben hatten, aber es waren letztendlich nichts anderes als neue, eben mehr eigene Klischees, die man sich sogar selbst gegeben hatte.
Intergration
Betrachtet man die Bereiche Kunst, Kultur, Sport und Medien, so ist eine zunehmende Repräsentanz von Menschen mit nichtdeutscher Herkunft zu erkennen. Warum gelingt in diesen Bereichen eine »erfolgreiche« Integration, während in den zentralen Lebensbereichen wie der Arbeitswelt, Bildung oder auch auf dem Wohnungsmarkt vor allem von Defiziten, Problemen und Diskriminierung die Rede ist?
Somuncu: Ich glaube, es ist gelogen zu sagen, dass unsere Integrationsbemühungen gescheitert sind. Vieles, was ich lese und höre, ist für mich in der Realität gar nicht nachzuvollziehen. Die in Deutschland lebenden Ausländer werden nicht krimineller, sie werden deutscher. Während die einzig erschreckende Tatsache, die ich schwarz auf weiß nachlesen kann, ist, dass im letzten Jahr rechtsradikale Taten um 20 % gestiegen sind. Ich habe noch keine Statistik gelesen, in der Zahlen über kriminelle Ausländer oder kriminelle Türken derart stark angestiegen sind wie die der rechtsradikalen Deutschen.
Hier wird aus meiner Sicht etwas konstruiert, aus welchen Motivationen auch immer, das nicht der Realität entspricht. Ich bin da sehr kategorisch. Meist jedoch geht es um Wählerstimmen. Es gab z. B. jüngst in Hamburg die wie ich finde absurde Diskussion, eingebürgerten Deutschen, die eine Straftat begehen, ins polizeiliche Führungszeugnis zu schreiben, dass sie eingebürgert sind, aus »statistischen Gründen«. Das heißt, man wird rekanakisiert, wenn man gegen den Strom schwimmt oder kriminell wird. Das ist eine Frechheit!
Ich glaube zwar, dass es immer noch gravierende Integrationsprobleme mit den in Deutschland lebenden Ausländern zu bewältigen gibt, viel wichtiger ist es aber, die Ursachen dieser Probleme herauszufinden und nicht, den Behauptungen derer zu glauben, die meinen, den Durchschnitt dieser Probleme bemessen zu müssen, indem sie tendenziöse Statistiken in Umlauf bringen. Da sind die Zahlen oft nicht glaubwürdig und die Themen sind oft willkürlich und falsch gesetzt.
Noch etwas ist in diesem Zusammenhang jedoch von großer Bedeutung: Während die hier lebenden Türken von Seiten des türkischen Staates weitestgehend sich selbst überlassen bleiben und sie meistens eher drangsaliert oder mit Forderungen konfrontiert werden, hat man auch von deutscher Seite aus nicht den Familien bei der Integration ihrer in Deutschland geborenen und aufgewachsenen Kinder geholfen. Denn gerade hier bedurfte es dringend eines Dialogs um neue Formen des Zusammenlebens in der Fremde. Diese Arbeit kann heute etwa in Schulen passieren, indem man sich auch in Schulen gezielt mit Migrationsfragen auseinandersetzt, statt sie zu verdrängen. Statt von den Türken ständig zu verlangen, dass sie besser Deutsch sprechen, könnte man ja als Deutscher auch mal ein bisschen Türkisch lernen.
Wo sehen Sie auf der »deutschen Seite« Defizite im Integrationsdiskurs bzw. in der deutschen Integrationspolitik?
Somuncu: Jetzt muss ich Deutschland auch mal in Schutz nehmen. Deutschland ist hier eigentlich doch sehr weit, auch wenn es noch eine Menge zu tun gibt. Es ist bei weitem nicht alles richtig gemacht worden, vieles ist auch falsch gemacht worden. Es gab durchaus auch schon früher Ansätze für eine richtige Integrationspolitik. Sich einmal mit der Kultur derer auseinanderzusetzen, die seit 40 Jahren hier leben, wäre ja kein Schaden. Es wäre ein
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