Hastings House
schlimm kann es nicht gewesen sein”, sagte Laymon. “Auf mich macht sie einen guten Eindruck.”
Sie sah den Professor an. Dass er um sie besorgt war, wusste sie. Ihr war auch klar, dass ihm seine Arbeit mehr bedeutete als jedes menschliche Wesen. Sollte sie so schwer verletzt sein, dass ein Arzt sich um sie kümmern musste, würde die Stadt die Ausgrabungen vielleicht sogar stoppen, bis Sicherheitsexperten beurteilt hatten, ob die Arbeit hier überhaupt sicher genug war. Laymon würde außer sich sein, wenn man ihn zur Untätigkeit verdammte. Zweifellos musste man die Decke abstützen, aber er würde darauf bestehen, diese Maßnahmen zu überwachen, damit der archäologisch bedeutsame Fund keinen Schaden nahm.
“Der Professor hat recht. Es geht mir wirklich bestens”, wiederholte sie mit Nachdruck.
Robert schüttelte den Kopf, Laymon seufzte leise, und Brad sah sie nur an.
Joe nahm sie am Arm und drehte sie so, dass sie ihm in die Augen schaute. “Bestens? Das behauptest
du.
Komm, wir gehen zurück zum Hastings House, dann bekommst du einen Eisbeutel für deinen Kopf, und vielleicht gehen wir dann noch bei einem Arzt vorbei, damit der zur Sicherheit mal einen Blick auf dich wirft.”
Brad meldete sich zu Wort, um Joe zu unterstützen. “Leslie, du hast bewusstlos auf dem Boden gelegen, als wir dich fanden.”
Das von außen einfallende Licht verdunkelte sich für einen Augenblick, dann sah sie Ken Dryer, der die Schräge herunterstieg und ganz offensichtlich nicht darüber erfreut war, was der Staub seiner gestriegelten Uniform antat. “Leslie, was ist passiert? Sind Sie okay?”
Sie wusste, dass sie eigentlich dankbar sein sollte, aber allmählich wurde ihr die Sorge um ihre Gesundheit zu viel. Gleichzeitig hielt sich in ihrem Hinterkopf hartnäckig die Frage, was tatsächlich geschehen war. Hatte ein Stück Putz sie in dem Moment am Kopf getroffen, als sie sich umdrehte? Und sollte sie noch so weit getaumelt sein, dass sie erst hier zusammenbrach?
Sekundenlang verspürte sie dieses sonderbare Angstgefühl erneut, das ihr im Nacken gesessen hatte, als sie allein hier gewesen war. Normalerweise empfand sie keine Angst. Die Dunkelheit hielt eigentlich keine bösen Überraschungen für sie bereit.
Schließlich
sah
sie nicht bloß Geister, sondern sie
unterhielt
sich auch mit ihnen.
“Ich bringe dich nach Hause”, sagte Joe entschieden. “Und dann gehe ich mit dir zum Arzt.”
“Ihr Kopf muss untersucht werden”, meinte Brad. Leslie sah ihn skeptisch an. So wie er die Worte aussprach, klang es, als glaube er, sie habe schwerere Schäden erlitten als eine mögliche Gehirnerschütterung.
“Leute …”, murmelte sie, weil ihr die allgemeine Aufregung einfach zu viel war.
“Leslie, diese Gruft ist morgen auch noch da”, erklärte Laymon in ungewohnt sanftem Tonfall. Offenbar verbarg sich hinter der akademischen Fassade
doch
eine Seele.
“Du wirst allerdings den Hinterausgang nehmen müssen”, riet ihr Brad. “Sonst fällst du der Meute vor dem Tor in die Hände. Ich weiß nicht, wie die das schaffen, aber sobald irgendetwas passiert, wimmelt es da draußen von Reportern.”
“Dryer kann sich um die Leute kümmern”, gab Robert Adair zurück.
Brad fügte hinzu: “Ich werde mich ihm anschließen.”
“Ja, mach das”, erwiderte Leslie. “Wir sehen uns nachher.”
“Auf keinen Fall”, widersprach Laymon energisch. “Sie nehmen sich diesen Tag frei.”
“Lass uns gehen”, drängte Joe und zog sie mit sich.
Vielleicht hatten sie ja recht, aber sie selbst fühlte sich ganz gut. Zugegeben, ihr Kopf schmerzte entsetzlich, doch mit ein paar Aspirin würde sie das schon wieder in den Griff bekommen. Was sie wirklich rasend machte, war diese nagende Ungewissheit: Was war tatsächlich passiert, und was hatte sie sich nur eingebildet?
“Leslie, ich hole meine eigenen Statiker, damit die die Gruft sichern, und ich werde sie nicht aus den Augen lassen”, sagte Laymon.
“Komm schon, Leslie”, redete Joe ruhig auf sie ein.
Einen Moment lang fühlte sie sich versucht, ihm zu sagen, dass sie kein Kind mehr sei, und selbst wenn er wie Matt aussah, sei er nicht Matt. Sie beide verband keine Beziehung, die eine Ewigkeit zurückreichte. Trotzdem wusste sie, dass alle hier vermutlich recht hatten. Eine Untersuchung und vielleicht auch eine Röntgenaufnahme von ihrem Kopf waren sicher nicht verkehrt. Es war sogar vernünftig, sich untersuchen zu lassen.
Als sie aufbrechen wollten, legte
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