Hastings House
Sleepy Hollow”.
“Alles in Ordnung”, antwortete sie, als auch er auf sie zukam. Den Eindruck eines Gentlemans aus einem anderen Jahrhundert machte er im nächsten Augenblick zunichte, als er ein Päckchen Marlboro aus der Tasche zog und sich eine Zigarette anzündete. “Melissa und ich hatten im Büro den Fernseher laufen, als wir hörten, was vorgefallen ist. Dieser Polizist … dieser Dryer wurde interviewt und sagte, es sei nichts weiter passiert. Aber so was sagen die Cops immer. Wir waren wirklich in Sorge um Sie.”
“Danke”, erwiderte sie. “Ich bin eigentlich nur ziemlich schmutzig und habe Kopfschmerzen. Das ist auch schon alles.”
“Na ja …”, setzte Joe an.
Weiter kam er nicht, da Leslie ihm auf den Fuß trat. Er schaute sie fragend an, doch ihr wütender Blick ließ ihn sofort verstummen. Sie war dankbar für all die Sorge, aber sie hatte allmählich genug davon, jedem erklären zu müssen, dass es ihr gut ging.
“Wo ist eigentlich Tandy?”, fragte Leslie, um das Thema zu wechseln.
“Wenn keine Schulklassen oder großen Reisegruppen angemeldet sind, nimmt sie den Mittwoch frei. Ich habe dafür am Donnerstag frei, und am Sonntag muss keiner von uns arbeiten.”
“Freitags und samstags haben wir die meisten Besucher”, wandte Melissa ein. “Wir
müssten
auch sonntags öffnen.”
“Am heiligen Sonntag?”, rief Jeff mit gespielter Entrüstung, dann grinste er: “Ich liebe meinen freien Montag.”
“Ich würde gern sonntags arbeiten, und wir hätten dann deutlich höhere Einnahmen”, erklärte Melissa.
“Ich würde jetzt gern nach oben gehen und mich unter die Dusche stellen”, sagte Leslie und sah Joe an, dessen Kleidung ebenso von Staub und Erde beschmutzt war wie ihre. In diesem Zustand könnte Joe glatt als der Geist seines Cousins durchgehen.
“Ich warte hier”, meinte Joe.
“Du könntest nach Hause fahren und ebenfalls duschen”, schlug sie vor.
“Könnte ich, mache ich aber nicht. Ich werde mit dir zu meinem Kumpel Dr. Granger fahren.”
“Zu einem Doktor? Was ist denn passiert?”, wollte Melissa voller Sorge wissen.
“Joe erklärt das”, gab Leslie zurück. Er hatte das Thema angeschnitten, dann sollte er auch den anderen erzählen, was genau passiert war. Sie ging in der Zwischenzeit nach oben in ihr Zimmer, zog ihre verschmutzte Kleidung aus und stellte sich unter die Dusche. Das heiße Wasser fühlte sich herrlich an auf ihrer Haut, und schließlich drehte sie den Strahl ganz auf. Normalerweise versuchte sie, Ressourcen zu schonen, wo es nur ging. Doch in diesem Augenblick war sie einfach nur dankbar, dass die Historische Gesellschaft moderne Duschen und einen guten Wasserboiler hatte einsetzen lassen. Das heiße Wasser prasselte auf sie nieder, Dampf stieg in der Duschkabine auf. Als sie sich die Haare wusch, konnte sie die Beule auf ihrem Kopf ertasten, die ihr aber nicht ganz so schlimm vorkam.
Während sie dastand, kam es ihr auf einmal so vor, als würden Dampf und warmes Wasser sie umschließen und sanft festhalten.
Sie rührte sich nicht. Bildete sie sich das nur ein? Oder …?
“Matt?”, fragte sie so leise, dass ihre Stimme fast vom Rauschen des Wassers übertönt wurde.
Keine Antwort.
Nur dieses Gefühl.
So stand sie weiter da, während das Wasser von ihrer Haut abperlte. Sie wagte kaum, zu atmen. Es erschien ihr, als würde sie so sanft gehalten, weil sie soeben eine große Gefahr überlebt hatte und nach Hause zurückgekehrt war. So wie ein Soldat, der in den Krieg geschickt wurde und trotz aller Gefahren wohlbehalten heimkam.
Ein lautes Klopfen an der Badezimmertür setzte dem Zauber dieses Augenblicks ein jähes Ende.
Erst jetzt bemerkte sie, dass das Wasser trotz des leistungsstarken Boilers inzwischen kalt geworden war.
Sie drehte den Wasserhahn zu, wickelte ein Handtuch um sich und verließ die Dusche.
“Leslie?” Es war Joe, der besorgt klang.
“Alles in Ordnung, entschuldige.”
Sie hörte ihn fluchen. “Ich wollte schon die Tür eintreten, weil ich dachte, du wärst unter der Dusche ohnmächtig geworden.”
“Nein … ich habe nur die Wärme und den Dampf genossen”, erwiderte sie. “Tut mir leid. Ich bin gleich da, versprochen.”
“Lass dir ruhig Zeit, ich war nur besorgt.”
Seine Schritte entfernten sich von der Tür.
Kopfschüttelnd setzte sie sich ans Fußende ihres Bettes.
“Matt?”, rief sie noch einmal.
Nichts. Kein Gefühl, dass er dort war, nicht mal der Hauch einer Brise aus dem Jenseits
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