Hasturs Erbe - 15
„Aber genug der Politik. Ich werde natürlich bis zum Begräbnis bleiben. Ich bin Beltran gegenüber zwar nicht verpflichtet, aber ich möchte auch nicht das Totenbett seines Vaters beleidigen.”
Wenn Kermiacs überraschender Tod Regis’ unmittelbare Abreise verzögerte, müßte ich auch in aller Ehrfurcht mein Ultimatum gegenüber Beltran verlängern. Jetzt erwartete ich davon weniger Probleme, da er den bitteren Geschmack der Gefahren der Sharra-Matrix geschmeckt hatte. Kadarin würde sich als weniger zugänglich erweisen. Doch vertraute ich auf seine Vernunft und seine Zuneigung zu uns allen.
Und so sprach in den Tagen der Trauer um den alten Lord von Aldaran niemand von Sharra oder Beltrans Plänen. Während dieser Tage konnte ich mich vor der Erinnerung und der Angst abschließen. Nur in entsetzlichen Träumen kehrten sie zurück und umkrallten mich mit Höllenqualen …
Die Begräbniszeremonien waren vorüber. Einer nach dem anderen reisten die Lords aus den Bergen, die gekommen waren, dem Toten die letzte Ehre zu erweisen und Beltran ihrer Unterstützung zu versichern, wieder ab. Beltran vermittelte den Eindruck ernster Würde. Unbewegt nahm er ihre Schwüre von Freundschaft und Unterstützung entgegen, doch spürte ich bei all diesen Menschen aus dem Gebirge ein Bewußtsein, daß eine Aera unwiderruflich ihr Ende gefunden hatte. Auch Beltran war sich dessen bewußt, und ich fühlte, es bestärkte seinen Entschluß, nicht friedlich den Weg zu gehen, den sein Vater vor ihm gegangen war, sich nicht auf den Erfolgen seines Vaters auszuruhen und ihre Huldigung anzunehmen, weil sie Kermiac gegenüber freundschaftliche Gefühle hegten, sondern seinen eigenen Weg zu finden.
Wir beide waren uns so ähnlich, ähnlicher hätten sich kaum Zwillinge sein können. Und dennoch waren wir sehr verschieden. Ich hatte nicht gewußt, daß er auch Ehrgeiz kannte. Ich hatte die letzten Überreste persönlicher Ambitionen auf dem Arilinn verloren, hatte Vaters Versuche, sie in der Wache wieder bei mir wachzurufen, verachtet. Jetzt war ich zutiefst verstört. Würde er sich seine Pläne ohne Protest aus dem Kopf schlagen? Es würde all meiner Überredungskunst bedürfen, allen Takts, um ihn zu überzeugen, einen für die Welt weniger gefährlichen Weg einzuschlagen.
Irgendwie mußte ich ihm klarmachen, daß ich immer noch seine Hoffnung teilte, für seine Ziele arbeiten und ihm soweit wie möglich helfen würde, selbst wenn ich unwiderruflich den Weg zurückwies, den er und Kadarin eingeschlagen hatten.
Als die Lords aus den Bergen abgereist waren, bat Beltran Regis und Danilo höflich, noch ein paar Tage zu bleiben. Ich hatte bei beiden nicht mit einer Zustimmung gerechnet, doch zu meiner Überraschung nahm Regis die Einladung an. Vielleicht war es doch nicht so überraschend. Er sah entsetzlich krank aus. Ich hätte mit ihm reden sollen, hätte versuchen sollen herauszufinden, was ihn plagte. Doch wann immer ich mit ihm allein reden wollte, stieß er mich zurück und versuchte die Unterhaltung auf unverfängliche Dinge zu lenken. Ich fragte mich, warum. Als Kind hatte er mich geliebt. Hielt er mich nun für einen Verräter, oder ging es um Persönlicheres?
So war meine Gemütslage, als wir uns an jenem Morgen in dem kleinen Kaminzimmer trafen, wo wir sooft miteinander gesessen und gearbeitet hatten. Beltran trug die Spuren von Kummer und Trauer und sah älter aus, ernüchtert durch die neue Last der Verantwortung. Thyra wirkte bleich und beherrscht, doch ich wußte, wie schwer sie um diese Haltung rang. Auch Kadarin sah verhärmt und bekümmert aus. Rate hatte nach außen hin am wenigsten gelitten. Sein Kummer war lediglich der eines Kindes, das einen freundlichen Paten verloren hat. Er war zu jung, um die weitergehenden Wirkungen zu realisieren.
Marjorie war wieder von dieser herzzerreißenden Entrücktheit, die ich seit einiger Zeit an ihr feststellte, die Isolation einer jeden Bewahrerin. Doch darunter spürte ich Unruhe. Jetzt war Beltran ihr Vormund. Wenn er und ich zu streiten begannen, sah die Zukunft nicht rosig für uns aus.
Das waren meine Verwandten. Zusammen hatten wir einen schönen Traum geträumt. Mein Herz tat weh, daß ich derjenige sein mußte, ihn zu zerstören.
Aber als Danilo und Regis offiziell hereingeleitet wurden, verspürte ich einen Funken der Hoffnung. Vielleicht, vielleicht konnte ich sie überreden, uns zu helfen. Es gab immer noch eine Möglichkeit, den Traum zu retten!
Beltran begann mit
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