Hasturs Erbe
leichtem Zorn in der Stimme.
Seine schwarze Stute suchte sich mit sicherem Gespür den Weg hinab. Obwohl er gegenüber Gabriel das Gegenteil behauptet hatte, fühlte sich Regis krank und schwach, wie die meiste Zeit nach dem Zusammenbruch bei Kennard. Ein paar Tage hatte er unter Drogen im Delirium verbracht, hatte keine Ahnung, was um ihn her vorging, und selbst das, was er von den vergangenen Tagen behalten hatte, war verschwommen und undeutlich. Danilo war dort, weinte in wildem Protest, wurde grob behandelt, hatte Angst, Schmerzen. Es schien, daß auch Lew manchmal zugegen war und kalt, ernst und wütend auf ihn blickte und wieder und wieder fragte: »Vor welchem Wissen hast du Angst?« Er wußte, weil man es ihm später gesagt hatte, daß er ein oder zwei Tage lang in einem so gefährlichen Zustand gewesen war, daß sein Großvater Tag und Nacht nicht von seinem Bett gewichen war, und einmal, als Regis zwischen bruchstückhaften Halluzinationen erwachte, hatte er sein Gesicht gesehen und gefragt: »Warum bist du nicht im Rat?« Und der alte Mann hatte heftig geantwortet: »Verdammter Rat!« Oder war das auch ein Traum gewesen? Er wußte, daß Dyan einmal in das Zimmer gekommen war, doch Regis hatte das Gesicht in den Laken verborgen und sich geweigert, mit ihm zu reden, wenn Dyan auch sanft auf ihn einredete. Oder war das auch ein Traum? Und dann war er scheinbar für Jahre bei der Feuerbekämpfung auf Armida gewesen, wo sie Tag und Nacht in Entsetzen verbracht hatten. Während des Tages hielt ihn die harte Arbeit zurück, doch in den Nächten wurde Regis wach und schluchzte und weinte vor Angst … In jener Nacht, erzählte ihm sein Großvater später, seien seine Schreie so furchtbar geworden, so angstvoll und hartnäckig, daß Kennard Alton, der selbst ernsthaft erkrankt war, zu ihm gekommen und bis zum Morgen geblieben sei und versucht habe, ihn mit Kontakt und Einfühlung zu beruhigen. Regis aber hatte weiter nach Lew gerufen, und Kennard konnte ihn nicht erreichen.
Regis schämte sich für sein kindisches Benehmen und hatte schließlich zugestimmt, nach Neskaya zu gehen. Die Schatten der Erinnerung und Gedankenbilder, die sich in ihm festgesetzt hatten, waren ihm peinlich, und er versuchte erst gar nicht, Wahrheiten von Drogenphantasien zu unterscheiden. Doch wie auch immer, er wußte, daß Lew dagewesen war und ihn wie ein Kind im Arm gehalten hatte. Als er es Kennard erzählte, nickte dieser nüchtern und sagte: »Das ist sehr wahrscheinlich. Vielleicht bist du in der Zeit umhergeschweift, oder vielleicht hat dich Lew von dort, wo er ist, gespürt und gefühlt, daß du ihn brauchst, und dich telepathisch berührt. Ich habe nicht gewußt, daß du ihm so nahestehst.« Regis fühlte sich hilflos und verletzlich, und als es ihm besser ging und er den Ritt wagen konnte, hatte er demütig zugestimmt, zum Neskaya-Turm zu gehen. So zu leben war unerträglich …
Jetzt weckte ihn Gabriels Stimme auf, der verärgert sagte: »Sieh mal, was ist das? Dom Felix?«
Der alte Mann ritt ihnen aus dem Tal heraus entgegen, und zwar auf Danilos schwarzem Pferd, dem auf Armida gezogenen Hengst, dem einzigen guten Reittier auf Syrtis. Er ritt für einen Mann seines Alters in halsbrecherischem Tempo. Einige Minuten schien es, als galoppiere er in voller Geschwindigkeit in die Gesellschaft hinein, doch wenige Schritte vor ihnen zügelte er das Pferd und brachte es mit bebenden Flanken und steifbeinig zum Stillstand.
Dom Felix starrte Regis an. »Wo ist mein Sohn? Was habt ihr diebischen Mörder mit ihm gemacht?«
Die Wut und der Schmerz des alten Mannes wirkten wie ein Schlag. Regis sagte verwirrt: »Euer Sohn? Danilo, Sir? Warum fragt Ihr mich?«
»Was habt ihr gemeinen, verachtenswerten Tyrannen mit ihm gemacht? Wie könnt ihr es wagen, eure Gesichter auf meinem Land zu zeigen, nachdem ihr mir meinen jüngsten …«
Regis versuchte, ihn zu unterbrechen und den Wortschwall abzuschneiden. »Dom Felix, ich verstehe nicht. Ich habe Danilo vor einigen Tagen in Eurem eigenen Obstgarten zurückgelassen. Seitdem habe ich ihn nicht gesehen. Ich war krank …« Die Erinnerung an seinen Traum unter Drogen quälte ihn … daß Danilo schlecht behandelt wurde, Angst hatte, Schmerzen …
»Lügner!« schrie Dom Felix. Sein Gesicht war rot angelaufen und sah vor Wut und Schmerz häßlich aus. »Wer außer dir …?«
»Jetzt reicht’s aber, Sir«, sagte Gabriel bestimmt und beherrscht. »Niemand redet so zu einem Erben der Hasturs.
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