Hasturs Erbe
Danilo zu Bett ging, umarmte ich ihn wie einen Verwandten. Er gab die Umarmung mit einer kindlichen Freundlichkeit zurück, die mich erleichterte.
Aber ich machte mir immer noch schwere Sorgen. Verdammt, mit Beltran mußte ich noch ein Wörtchen reden, bevor ich schlafen ging!
17
Regis ritt langsam mit gesenktem Kopf gegen den schneidenden Wind. Er wußte, falls er jemals wieder aus diesen Bergen hinausgelangte, würde ihm kein Ort auf Darkover wieder als kalt erscheinen können.
Vor einigen Tagen hatte er in einem Bergdorf haltgemacht und sein Pferd gegen eines der kräftigen Bergponies eingetauscht. Die Notwendigkeit hierzu machte ihn verzweifelt und bekümmert. Die schwarze Stute war ein Geschenk Kennards gewesen, und er hatte sie geliebt. Doch das Pony erregte weniger Aufmerksamkeit und war auf den furchterregenden Pässen sicherer. Die arme Melisande wäre gewiß in der Kälte gestorben oder hätte sich auf den steilen Pfaden den Fuß gebrochen.
Die Reise hatte angefangen wie ein langer Alptraum: steile, unvertraute Wege, ungeheure Kälte und die Nächte in verlassenen Scheunen, Schäferkarren oder, lediglich in Umhang und Decke eingehüllt, an einen Felsen gelehnt oder an das Pferd geschmiegt. Allgemein versuchte er, nicht gesehen zu werden, doch alle paar Tage war er in ein Dorf geritten, um Nahrung für sich und das Pferd zu erstehen. Er erweckte nur geringe Neugier. Regis merkte, das Leben hier im Gebirge war so hart, daß die Menschen keine Zeit hatten, Reisenden Aufmerksamkeit zu schenken.
Hin und wieder, wenn er fürchtete, den Weg verloren zu haben, zog er die Matrix hervor und versuchte mit wütender Konzentration seine Sinne auf Danilo zu richten. Die Matrix reagierte wie eines der terranischen Instrumente, von denen ihm Kennard einst erzählt hatte. Sie zog ihn stetig wie an einem unsichtbaren Faden auf Aldaran und Danilo zu.
Inzwischen war er vor Furcht fast wie gelähmt, und nur seine Entschlossenheit und die Erinnerung an das Versprechen gegenüber Danilos Vater hielten ihn aufrecht. Doch es passierte immer wieder, daß er in dunklen Träumen befangen weiterritt, ohne Wahrnehmung Danilos und ohne zu wissen, auf weicher Straße er gerade ritt. In seinem Kopf wirbelten Bilder umher, die die Eindrücke und Gedanken aus den Dörfern, die er passierte, in sich aufzusaugen schienen. Der Gedanke, wieder in die Matrix zu blicken, erfüllte ihn mit schleichender Übelkeit, so daß er sich nicht dazu bringen konnte, sie hervorzuziehen. Schwellenkrankheit. Javanne hatte ihn gewarnt. In den letzten Dörfern hatte er einfach nach dem Weg nach Aldaran gefragt.
Den ganzen Morgen war er einen langen Hang hinaufgeritten, wo vor ein paar Jahren Waldbrände gewütet hatten. Meilenweit sah er nur verkohltes und zerstörtes Land, aufragende Baumstümpfe, unheimlich und ohne Grün, aufgewühltes Ödland. In dem hypersensitiven Zustand, in dem er sich befand, rief der Geruch verbrannten Holzes, von Asche und Ruß, die das Pony bei jedem Schritt aufwirbelte, seine Gedanken zurück zu jenem letzten Sommer auf Armida und seinem ersten Einsatz bei der Feuerbekämpfung, zu jener Nacht, als die Feuerlinie so dicht an Armida herangerückt war, daß die Nebengebäude abbrannten.
An jenem Abend hatten Lew und er aus der gleichen Schüssel gegessen, denn die Vorräte wurden knapp. Als sie sich niederlegten, waren sie umgeben von dem Gestank von Asche und verbranntem Holz. Regis hatte es selbst im Schlaf gerochen, so wie er es auch jetzt roch. Gegen Mitternacht weckte ihn etwas, und er hatte gesehen, wie Lew aufrecht im Bett saß und auf den roten Schimmer des Feuers starrte.
Und Regis hatte gemerkt, daß Lew Angst hatte. Er versuchte, Lews Gedanken zu erreichen, und hatte sie gefühlt, seine Angst, den Schmerz seiner Verbrennungen, alles. Er konnte es spüren wie seine eigenen Empfindungen. Und Lews Furcht schmerzte Regis so sehr, daß er es nicht aushalten konnte. Er hätte alles getan, um Lew zu trösten, seine Gedanken von Furcht und Schmerz zu befreien. Es war zuviel. Regis konnte sich dem nicht verschließen, konnte es nicht aushalten.
Aber er hatte es vergessen. Er hatte sich zum Vergessen gezwungen. Er hatte die Erinnerung daran verdrängt, bis er gegen Ende dieses Jahres in Nevarsin auf Laran geprüft worden war. Da hatte er sich nicht einmal an das Feuer erinnert.
Und deshalb, merkte er nun, war Lew so überrascht gewesen, als Regis ihm erzählte, er habe kein Laran …
Das Bergpony stolperte und
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