Hasturs Erbe
müssen es versucht haben.«
»Ich weiß es nicht«, sagte Danilo demütig. »Ich bin nicht so gebildet wie du, Regis.«
Und Regis wußte so wenig!
»Laßt uns nicht herumsitzen und Rätsel anstellen, was sie tun«, sagte Regis. »Laß uns bis morgen warten und sie fragen.« Er gähnte auffällig. »Ich habe ein Dutzend Nächte nicht mehr in einem Bett geschlafen. Ich glaube, ich probier’s mal mit diesem hier.« Danilo räumte die Schüsseln und Teller fort. Regis rief ihn zu sich.
»Ich hoffe, du hegst keine dummen Ideen, hier Wache zu stehen, während ich schlafe, oder quer auf meiner Schwelle zu liegen?«
»Nur wenn du willst«, gab Dani zurück, doch es klang verletzt, und mit jener unerwünschten Sensitivität wußte Regis, daß Dani es gern gemacht hätte. Das Bild, das ihn seit Tagen verfolgt hatte, kehrte nun zurück: Danis Bruder, der seinen Vater mit dem eigenen Körper schützte. Wollte Dani wirklich für ihn sterben? Dieser Gedanke erschütterte ihn und ließ ihn verstummen.
Kurz angebunden sagte er: »Schlaf, wo du, verdammt noch mal, willst. Und wenn du es wirklich gern hast, wenn ich dir Befehle gebe, Dani, dann ist das ein Befehl.« Er wartete Danis Wahl nicht ab, sondern glitt unter die Decke und fiel in einen bodenlosen Abgrund von Schlaf.
Zunächst verlangte die Erschöpfung ihren Zoll von seinem Körper und den überforderten Nerven. Er war sogar zu erschöpft, um zu träumen. Dann begannen sich Träume zu regen, das Geräusch von Hufen auf der Straße, Galopp … die Waffenkammer im Schloß Comyn, ein Kampf gegen Dyan, der ausgeruht gegen einen wie gelähmten Regis focht, der kaum das Schwert heben konnte … eine große Gestalt, die niederschwebte und Burg Aldaran mit einem Feuerfinger berührte. Flammen schlugen zum Himmel. Beim Schein des Feuers sah er Lews entsetztes Gesicht und versuchte, ihn zu berühren, spürte die sonderbaren, unvertrauten Gefühle, doch dieses Mal wußte er, was er tat. Dieses Mal war er kein Kind mehr, kein Kinderkörper reagierte fast unbewußt auf die unschuldigste aller Berührungen: Dieses Mal wußte er es und akzeptierte es, und plötzlich lag Danilo in seinen Armen, und Danilo wehrte sich und versuchte ihn verletzt und ängstlich fortzustoßen. Regis wurde von Begierde und Grausamkeit ergriffen und umklammerte ihn fester und fester, kämpfte gegen ihn an, wollte ihn bezwingen und schrie dann mit einem Keuchen: »Nein! O nein!« Er schleuderte ihn fort und saß aufrecht in dem großen Bett.
Er war allein. Das Feuer war niedergebrannt. Vor dem Fußende des Bettes schlief wie ein dunkler Schatten Danilo, in eine Decke gehüllt, mit dem Rücken zu ihm. Regis starrte den schlafenden Jungen an und konnte das Entsetzen des Traumes nicht abschütteln, den Schock über die Erkenntnis, was er versucht hatte zu tun.
Nein, nicht versucht, gewollt hatte! Wovon er geträumt hatte! Das war der Unterschied.
Oder gab es für einen Telepathen keinen Unterschied?
Einmal hatte Kennard, bei den wenigen Malen, als er von seinen Jahren im Turm gesprochen hatte, sehr ernst gesagt: »Ich bin ein Alton. Meine Wut kann töten. Ein mörderischer Gedanke ist für mich fast gleichbedeutend mit einem Mord. Ein lustvoller Gedanke ist fast wie eine Vergewaltigung.«
Regis fragte sich, ob er auch für seine Träume verantwortlich war. Würde er jemals wieder einzuschlafen wagen?
Danilo rührte sich mit einem Stöhnen. Abrupt begann er zu keuchen, zu schreien und sich im Schlaf zu wälzen. Laut murmelte er: »Nein … nein, bitte!« und begann zu weinen. Regis starrte ihn entsetzt an. Störte sein Traum Danis Schlaf? Dyan hatte ihn auch im Schlaf erreichen können! Er konnte ihn nicht so weinen lassen. Er beugte sich nach vom und sagte leise: »Dani, es ist gut. Du hast geträumt.«
Im Halbschlaf machte Danilo das beschützende Zeichen der Cristoforos . Regis dachte, daß es doch etwas Tröstendes hatte, einen Glauben zu besitzen. Danilos gedämpftes Schluchzen nagte wie mit Klauen an Regis. Er hatte keine Ahnung, daß Lew am anderen Ende der Burg ebenfalls aus einem Alptraum hochgeschreckt war und unter der Schuld eines für ihn schrecklichen Verbrechens zitterte, doch Regis fragte sich, welche Art von Alptraum Dani wohl gehabt hatte. Er wagte nicht zu fragen, wagte nicht das Risiko mitternächtlicher Vertrautheiten einzugehen.
Danilo hatte sein Weinen nun unter Kontrolle. Er fragte: »Es ist … doch nicht wieder die Schwellenkrankheit?«
»Nein, nur ein Alptraum. Tut mir leid,
Weitere Kostenlose Bücher