Hasturs Erbe
Raum.
»Dann werde ich meinen Favoriten nennen«, sagte Dyan. Seine Stimme klang hart und unnachgiebig. »An zweiter Stelle meiner engeren Verwandten stand eine weitere Nedestro -Tochter meines Vaters. Man hat ihrem Sohn durch die Bewahrerin von Neskaya bestätigt, daß er eine der Gaben der Ardais besitzt. Seine Mutter war Melora Castamir und sein Vater Felix-Rafael Syrtis, der Alton-Blut hat. Danilo-Felix Syrtis«, sagte Dyan, »aufgrund der Ardais-Gabe und des Blutes der Comyn rufe ich Euch auf, den Comyn als Erbe der Domäne Ardais Loyalität zu schwören, und ich werde bereit sein, meine Wahl gegen jedermann zu verteidigen, der es wagt, mich herauszufordern.« Sein Blick wanderte trotzig im Saal umher.
Es war wie ein Donnerschlag. Das waren also Dyans ehrenhafte Wiedergutmachungsversuche! Regis wußte nicht, ob das sein Gedanke oder der Danilos war, als Dani benommen auf Dyan zuging.
Regis erinnerte sich, wie er gedacht hatte, Dani müsse einen Sitz im Rat der Comyn haben. Aber so? Hatte Kennard das eingefädelt?
Dyan sagte förmlich: »Nehmt Ihr diese Berufung an, Danilo?«
Danilo zitterte, doch er versuchte, seine Stimme unter Kontrolle zu halten. »Es ist meine Pflicht … es anzunehmen, Lord Ardais.«
»Dann knie nieder, Danilo, und antworte mir. Willst du den Comyn und diesem Rat Loyalität versprechen und dein Leben einsetzen, ihnen zu dienen? Willst du schwören, die Ehre der Comyn in jeder gerechten Sache zu verteidigen und alles Unheil zu vermeiden?« Dyans Stimme klang wohltönend, laut und melodisch, doch jetzt zögerte er. Seine Stimme brach: »Willst du mir versprechen … mir gegenüber deine Pflicht … als Sohn zu erfüllen, bis zu jenem Zeitpunkt, an dem ein leiblicher Sohn von mir deinen Platz einnimmt?«
Regis dachte, erschüttert durch Dyans Qualen: Wer hat hier wen gerächt? Er sah, wie Danilo still weinte, als Dyans bebende Stimme fortfuhr: »Willst du schwören … mir ein loyaler Sohn zu sein, bis zu dem Zeitpunkt, an dem ich meine Domäne aus Altersgründen, Unfähigkeit oder Schwäche aus der Hand gebe, und dann als Regent unter diesem Rat zu dienen?«
Dani war einen Moment still, und Regis, der mit ihm in engem Kontakt stand, wußte, er versuchte, seine Stimme unter Kontrolle zu bringen. Schließlich sagte er mit zittriger, fast unhörbarer Stimme: »Ich schwöre es.«
Dyan beugte sich nieder und hob ihn auf die Füße. Er sagte fest: »Nehmt zur Kenntnis, daß dies mein Nedestro -Erbe ist, daß niemand ihm diesen Platz streitig machen soll und daß ihm sein Anspruch …« – wieder brach ihm die Stimme – »… niemals von mir oder in meinem Namen oder von meinen Nachkommen streitig gemacht werden wird.«
Kurz und mit äußerster Förmlichkeit umarmte er ihn. Er sagte ruhig: »Du kannst jetzt zu deinen verschworenen Diensten zurückkehren, mein Sohn. Nur bei meiner Abwesenheit oder Krankheit mußt du deinen Sitz bei den Ardais einnehmen. Aber du mußt an diesen Ratssitzungen teilnehmen, und alles, was hier geschieht, muß dir bekanntgemacht werden, da es sein kann, daß du unerwartet meinen Platz einnehmen mußt.«
Danilo kehrte schlafwandlerisch zu seinem Sessel zurück. Er hielt sich durch seinen Stolz aufrecht und glitt neben Regis. Dann aber brach er zusammen, legte den Kopf auf den Tisch vor sich und weinte. Regis ergriff sachte seinen Arm am Ellenbogen, doch er sagte kein Wort und versuchte auch nicht, seine Gedanken zu erreichen. Einige Dinge im Leben waren zu schmerzhaft auch für den Kontakt eines verschworenen Bruders. Mit sonderbarem Schmerz dachte er, daß Dyan sie zu Gleichgestellten gemacht hatte. Dani war jetzt Erbe einer Domäne. Er brauchte niemandes Waffenbruder oder Diener mehr zu sein und nicht um Regis Schutz nachsuchen. Und niemand durfte jemals wieder von Schande oder Unehre reden.
Er wußte, er sollte sich für Danilo freuen, und er freute sich auch. Doch sein Freund war nun nicht mehr von ihm abhängig, und Regis fühlte sich unsicher und merkwürdig.
»Regis-Rafael, Regent-Erbe von Hastur«, sagte Danvan Hastur. Durch den Schock von Dyans Tat hatte Regis völlig vergessen, daß auch er vor den Rat zu treten hatte. Danilo hob den Kopf, stieß ihn sanft an und flüsterte so laut, daß man es noch zwei Schritte weiter hören konnte: »Das bist du, du Dummkopf!«
Einen Moment lang dachte Regis, er würde in hysterisches Kichern ausbrechen. Herr des Lichts, das konnte er nicht machen! Nicht bei einer offiziellen Zeremonie! Er biß sich fest auf die
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