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Hasturs Erbe

Hasturs Erbe

Titel: Hasturs Erbe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer Bradley
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reden. Aber weitere Skandale in der Wache? Verdammt, nein! Das berührte die Ehre der Wache und der Altons, denen sie unterstellt war.
    Vater hatte mir das Kommando übergeben. Also würde dies meine erste Kommandeursentscheidung sein.
    Ich gab das Zeichen für die Versammlung. Ein oder zwei Zuspätkommende rannten auf ihre Plätze. Die älteren Männer nahmen ihre Plätze ein. Die Kadetten blieben, wie man ihnen gesagt hatte, in einer Ecke.
    Regis war nicht unter ihnen. Ich bereute bitterlich, hier angebunden zu sein, doch ich konnte nichts tun.
    Ich sah sie alle der Reihe nach an und spürte, wie sie mir ihre Zuneigung zurückgaben. Ich verbarg meine telepathische Sensibilität so gut ich konnte – bei dieser Menge war das nicht einfach –, doch ich nahm ihre Überraschung und Neugier, Ablehnung und Verärgerung wahr. Alles zusammen ergab mehr oder minder die Frage: Wo, zum Teufel, ist der Kommandeur? Oder noch schlimmer: Was tut der Bastard von dem alten Kennard dort oben beim Stab?
    Schließlich erlangte ich ihre Aufmerksamkeit und berichtete von Kennards Unglück. Dies verursachte einiges Scharren, Flüstern, Gemurmel und Kommentare, von denen man die meisten klugerweise überhörte. Ich ließ sie gewähren, rief sie dann wieder zur Ordnung und begann die traditionelle Zeremonie des ersten Tages mit dem Appell und Aufruf.
    Der Reihe nach las ich den Namen eines jeden Wachsoldaten vor. Jeder trat nach vorn, wiederholte eine kurze Formel der Loyalitätsbezeugung gegenüber den Comyn und informierte mich – ein strenger Brauch vor dreihundert Jahren, nun bloß noch eine Formalität –, wie viele Männer, ausgebildet und bewaffnet, wie es sich gehörte, er im Kriegsfalle ins Feld führen konnte. Nach etwa der Hälfte gab es Unruhe, und Regis, in Begleitung von einem halben Dutzend Diener in Hastur-Livree, trat ein. Einer der Diener gab mir eine Nachricht von Hastur selbst, mit einer Art Entschuldigung oder Erklärung für das Zuspätkommen.
    Ich merkte, daß ich kreuzwütend war. Ich hatte Regis verzweifelt, mit Selbstmordgedanken, krank, hingestreckt unter irgendeinem unvorhergesehenen Effekt des Kirian , ja, sogar tot vor meinen Augen gesehen, und er kam gleichmütig herein und störte die Appellzeremonie und die Disziplin. »Nimm deinen Platz ein, Kadett«, sagte ich scharf und schickte die Diener fort.
    Er hätte dem Jungen, der letzte Nacht an meinem Feuer eine heiße Brühe gegessen und mir das Herz in Bitterkeit ausgeschüttet hatte, nicht unähnlicher sein können. Er trug die vollen Comyn-Abzeichen, Orden, Bänder, hohe Stiefel und eine himmelblaue Tunika von auserlesenem Schnitt. Er ging zu seinem Platz unter den Kadetten und hielt den Kopf steif emporgereckt. Ich spürte seine Furcht und Scheu, doch ich wußte, die anderen Kadetten würden es für die typische Comyn-Arroganz halten, und dafür würde er büßen müssen. Hinter seiner Fassade arroganter Kontrolle sah er müde aus, fast krank. Was war ihm letzte Nacht zugestoßen? Verdammt, erinnerte ich mich plötzlich, was ging mich der Erbe der Hasturs eigentlich an? Er hatte sich schließlich um mich auch keine Sorgen gemacht, ebensowenig um die Tatsache, daß ich die Schwierigkeiten bekommen hätte, wäre ihm etwas Schlimmes zugestoßen.
    Ich beendete das Defilee der Loyalitätsschwüre. Dyan beugte sich zu mir herüber und sagte: »Ich war letzte Nacht mit dem Rat in der Stadt. Hastur hat mich gebeten, der Garde die Lage zu erklären. Habe ich Eure Erlaubnis, das Wort zu ergreifen, Kapitän Montray-Alton?«
    Dyan hatte mich noch niemals mit meinem eigentlichen Titel angeredet, weder in noch außerhalb der Wachhalle. Ich sagte mir wütend, das letzte, was ich mir wünschte, sei seine Anerkennung. Ich nickte, und er ging zur Mitte des Podiums. Er sieht ebensowenig wie ein typischer Comyn-Lord aus wie ich. Sein Haar ist dunkel, hat nicht das traditionelle Rot der Comyns, und er ist groß und schlank. Er besitzt die sechsfingrige Hand, die bei den Ardais und Aillard-Clans häufig auftaucht. Man sagt, es sei nichtmenschliches Blut bei den Ardais. Dyan sieht so aus.
    »Stadtwache von Thendara«, bellte er. »Euer Kommandeur, Lord Alton, hat mich gebeten, euch die Situation zu erläutern.« Sein verächtlicher Blick sagte nur zu deutlich, daß ich ja den Kommandeur spielen könne, während er derjenige war, der erklären konnte, was sich abspielte.
    In der Stadt schien sich, wie ich ungefähr aus Dyans Worten entnehmen konnte, eine Spannung aufzubauen,

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