Hauch der Verfuehrung
doch er hielt sie mit beiden Händen fest, und sie folgte seiner stummen Führung.
Langsam und ohne jede Eile hob er sie hoch und stellte sie auf die Füße. Ohne ihre Hand loszulassen, stand er ebenfalls auf.
Völlig unbeeindruckt nickte er Eleanor und Matthew zu. »Miss Fritham, Mr. Brisenden. Waren Sie unten am See?«
Gerrard behielt eine höfliche, ja fast gelangweilte Miene bei, als unterhielte er sich über einen Spaziergang im Park. Ein Kuss zählte nicht als Verbrechen gegen den Anstand; er würde nicht zulassen, dass sie so taten, als verhielte es sich anders.
Matthew betrachtete ihn finster. Gerrard unterdrückte den Drang, dies mit einem Lächeln zu beantworten. Er hatte nie damit gerechnet, jemals dankbar für den Anblick von Brisendens missbilligendem Gesichtsausdruck zu sein, doch jetzt war er es. Wer wusste schon, was er verraten hätte, wenn Jacqueline ungestört hätte weitermachen können?
Ein Gong ertönte.
»Ah, der Lunch.« Sich Jacquelines Hand auf den Arm legend, sah er mit höflich fragend gehobenen Brauen Eleanor und Matthew an, deutete mit einer lässigen Handbewegung auf den Weg zum Haus. »Sollen wir?«
Ihnen blieb keine andere Wahl, als Jacqueline und ihm zu folgen, die vorausgingen. Eleanor tat das sogleich; Matthew hätte ihn sicherlich lieber zum Duell gefordert, stapfte aber schließlich doch missmutig hinter ihnen her.
Eleanor ging jetzt neben ihm her. Er gönnte ihr nur ein ganz knappes Nicken und richtete seine Aufmerksamkeit auf Jacqueline, verwickelte sie in eine Unterhaltung über die verschiedenen Bäume, an denen sie vorbeikamen; es gab Zeiten, da erwies sich sein Steckenpferd als überaus nützlich.
Jacqueline antwortete ihm schlagfertig; er spürte, sie war weit davon entfernt, sich Verlegenheit anmerken zu lassen oder Gewissensbisse, weil man sie beim Küssen ertappt hatte; sie war höchstens verärgert über ihre aufdringlichen Freunde.
Die Beobachtung erfreute ihn; vielleicht hatte er heute ja doch etwas erreicht.
Etwas anderes, als Eleanors Aufmerksamkeit auf eine Weise auf sich zu ziehen, das zu vermeiden er sich bislang bemüht hatte.
Er kannte eine Reihe mannstoller Frauenzimmer; Eleanor gehörte eindeutig dazu. Jetzt, da sie den Beweis für sein Interesse an Jacqueline gesehen hatte, besonders die Natur seines Interesses, hatte sie Blut geleckt. Sie dachte, er sei an einer Affäre interessiert und wollte sich ihm anbieten.
Die berechnenden, nachdenklichen Blicke, die sie ihm zuwarf, als sie zur Terrasse zurückspazierten, entgingen ihm nicht. Sie unternahm keinen Versuch, sich in seine und Jacquelines Unterhaltung einzumischen, aber sie betrachtete ihn, als wollte sie Maß nehmen und entscheiden, wie sie ihn sich am besten angeln könnte.
Ihr stand eine herbe Enttäuschung bevor, doch was ihn faszinierte, war der Umstand, dass Jacqueline von Eleanors Interesse wusste. Er sah es, sah, dass Jacqueline Eleanors abschätzende Blicke bemerke und ihre Bedeutung begriff.
Doch sie schaute ihn nicht an. Sah nicht auf, ob es ihm auch auffiel oder ob er darauf einging. Kein Anzeichen von Eifersucht oder Besitzergreifen war in ihrem Verhalten auszumachen - sie beobachtete nur.
War sie sich seiner so sicher? So überzeugt, ihn fesseln zu können?
Oder war es ihr am Ende gar egal?
Die letztere Möglichkeit störte ihn mehr, als ihm lieb war. Sogar mehr noch als ihre frühere Frage und ihre Drohung, sie würde mit ihrer Entscheidung warten, bis er ihr geantwortet hatte. Das war jedenfalls nicht Teil seines Plans.
Sie waren die Ersten auf der Terrasse, aber zu seiner Erleichterung stießen bald die anderen lachend und plaudernd zu ihnen, noch ehe sie sich von dem kalten Braten und den Pasteten auf dem Tisch bedient hatten.
Barnaby war unter denen, die vom See zurückkehrten. Gerrard gab ihm mit einem Blick zu verstehen, zu ihm zu kommen; indem er Jacqueline ermutigte, die jüngeren Mädchen an ihrem Tisch zu versammeln, gelang es ihnen, Eleanor in Schach zu halten.
Bis auf Weiteres geschlagen zog sie sich in Jordans Freundeskreis zurück, doch sie hörte den Reden ihres Bruders kaum zu. Ihre Augen blieben weiter auf Gerrard gerichtet, glitten nur ab und zu in Richtung Barnaby, kehrten am Ende aber immer zu Gerrard zurück. Und auch Jordans Blick blieb immer wieder an ihm hängen.
Innerlich fluchte Gerrard und war auf der Hut.
Gut. Als sie alle aufbrachen und in einer lauten, fröhlichen Gruppe die Eingangsstufen hinunterschlenderten, scherzhafte Bemerkungen
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