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Hauch der Verfuehrung

Titel: Hauch der Verfuehrung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephanie Laurens
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sie war immer so lebendig. Vom Leben begeistert. Sie lebte wirklich jeden Tag - wenn sie aufwachte, und es gab nichts zu tun, dann organisierte sie einfach spontan einen Ausflug oder sonst etwas. Sie war wie ein Schmetterling, aber ein bunter, fröhlicher, und in ihr war keine Unfreundlichkeit...«
    Er ließ sie reden, beobachtete und wartete bis zum richtigen Augenblick, um zu fragen: »Und als sie starb?«
    Ihre Miene veränderte sich. Er sah, wie Trauer sie überkam, die schönen Erinnerungen verdrängte; er sah nicht nur den Verlust eines geliebten Menschen, sondern Verlust im weiteren Sinn. Einen Verlust von Unschuld, von Vertrauen und Sicherheit.
    Sie antwortete nicht, aber seine Finger flogen über das Blatt.
    Nach einer Weile murmelte sie: »Als sie starb, haben wir all das verloren - wir alle, die wir hier leben, haben unseren Lebensquell verloren.«
    »Und den Quell der Liebe?« Er hatte die Worte nicht sagen wollen; sie entschlüpften ihm einfach.
    Nach einer weiteren längeren Stille antwortete sie: »Es ist wohl eher so, dass die Liebe schwieriger wurde, verworren.«
    Er zeichnete weiter, war sich aber auf einer ganz elementaren Ebene deutlich bewusst, als sie tief Luft holte und ihn anschaute.
    Einen Moment war ihre Miene unergründlich, dann fragte sie: »Was sehen Sie?«
    Eine Frau, gefangen durch die Liebe anderer zu ihr. Die Antwort lag ihm auf der Zunge, während er ihr in die Augen sah, aber er wollte ihr nicht verraten, wie gut er sie verstand, noch nicht. »Ich denke« - er klappte seinen Block zu -, »dass Sie Ihre Mitmenschen genauer verstehen, als dies andersherum der Fall ist.«
    Sie legte den Kopf zur Seite, musterte ihn und ging seine Worte im Geiste durch - erwog seine Beweggründe. Dann neigte sie den Kopf. »Sie haben recht.«
    Er schaute sie geradewegs an. Seine Bemerkung, das spürte er, traf vermutlich auch auf andere zu - wie ihren Vater, Mitchel, Jordan, ja sogar Brisenden. In deren Augen war sie eine schwache Frau; sie gehörten zu der Sorte Männer, die meinten, Frauen seien zu weniger imstande, schwächer als sie - und zwar in jeder Beziehung. Er war mit zu vielen starken Frauen in seiner Umgebung aufgewachsen, um denselben Fehler zu begehen. Jacqueline war stark, und Hingabe an eine Sache bestärkte sie nur noch in ihrem Entschluss.
    Wenn ich der Mörder wäre , ich würde mir ihretwegen Sorgen machen.
    Der Gedanke kam aus dem Nichts - ihm wurde kalt. Er unterdrückte einen inneren Schauer, blickte auf seine Skizzen, blätterte sie rasch durch, bewertete, was er erreicht hatte.
    Nicht länger seiner Musterung ausgesetzt, beobachtete Jacqueline ihn nun ihrerseits. Um sie in dieser Pose zu malen, hatte er gestanden; er stand breitbeinig und möglichst entspannt da, die breiten Schultern gerade, sein schlanker, sehniger Körper locker. In den Fängen künstlerischer Schaffenskraft schien er nicht die Notwendigkeit zu verspüren, sein Gewicht zu verlagern, sich anders hinzustellen. Es war, als würde sich seine ganze Lebenskraft, die ganze Intensität, die so sehr Teil von ihm war, in seinen Fingern konzentrieren und in seinen Augen, in dem Verstand, der sie beide miteinander verband.
    Er war faszinierend, interessant. Für sie, ja, aber sie war bestimmt nicht die einzige Frau, auf die er diese Wirkung ausübte. Eleanor fände ihn sicher auch attraktiv. Er hatte so eine Neigung zu selbstherrlichem Handeln, zu befehlen ... sie spürte, wie ihre Lippen sich verzogen. Sie war sich gar nicht sicher, ob ihm das bewusst war, so sehr schien er auf sein Ziel konzentriert.
    Es war diese Konzentration, eindringlich und machtvoll, die Eleanor anziehen würde - sie würde wollen, dass er sie auf sie richtete. Sie ihr abtrat.
    Einen Moment lang fragte sich Jacqueline, ob das auch bei ihr so war - empfand sie ebenso und auch aus demselben Grund? Ein kurzes Nachdenken brachte ihr die Antwort: Nein. In diesem Punkt waren sie und Eleanor grundverschieden. Eleanor würde ohne Zögern im Notfall auch nachhelfen; für sie bestand die Herausforderung darin, dass er sich ihr freiwillig mit derselben Hingabe widmete, die sie in ihm sah, wenn er zeichnete, wenn sie ihm Modell saß.
    Sie nicht als sie selbst wahrnahm.
    Ein Schauer durchlief sie, als ihr wieder sein »Preis« einfiel, und das kühne Versprechen, das sie ihm in der Nacht gegeben hatte: dass sie es tun würde, was auch immer er verlangte. Hatte er sie als Modell gesehen oder als sie selbst? Zu dem Zeitpunkt hatte sie Ersteres angenommen, aber

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