Hauch der Verfuehrung
Verdächtigungen - einfach hinter mir lassen; sie werden mir folgen, wohin auch immer ich gehe. Darum muss ich diese Verdächtigungen entkräften, sie beseitigen, erst dann bin ich wieder frei, um mein Leben weiterzuführen.«
Er sagte nichts. Sie blickte ihn von der Seite her an; er zeichnete in einem unglaublichen Tempo. Ein kleines Lächeln spielte um seine Lippen.
»Weshalb lächeln Sie?«
Er schaute auf, fing ihren Blick auf - und sie war sich sofort dieser besonderen Verbindung zwischen ihnen bewusst; dergleichen hatte sie mit noch keinem anderen Menschen geteilt.
Er schaute wieder auf seine Arbeit, zeichnete weiter, doch sein Lächeln wurde ausgeprägter. »Mir ist nur gerade durch den Kopf gegangen, ich müsste dem hier den Titel geben: >Warten, dass die Zeit sich bewegte.«
Sie lächelte ebenfalls, wandte ihr Gesicht ein Stück zur Seite, sodass er ihr Lächeln sehen konnte.
Er hob den Kopf; sein Blick schärfte sich, seine Augen wurden schmal. »Nicht bewegen - genauso bleiben!« Er hatte bereits die nächste Seite des Blockes aufgeschlagen und skizzierte wie verrückt.
Nur in Gedanken hob sie die Brauen und tat, worum er sie gebeten hatte. »Sitzen« war ermüdend, aber auch seltsam entspannend.
Sie hatten vielleicht zehn Minuten so dagesessen, als feste Schritte auf dem Weg zu der steinernen Aussichtsplattform in der Nähe ertönten. Sie drehten sich beide um.
Gerrard stand auf und klappte den Skizzenblock zu. »Fürs Erste habe ich genug Material von der Pose.«
Er ging zu ihr und griff nach ihrer Hand; er ignorierte ihre beiderseitige Empfänglichkeit - dieses merkwürdige Beschleunigen des Pulses - und zog die Sitzende auf die Füße. Ihre Hand lag fest in seiner; ohne sie freizugeben, drehte er sich zu dem Neuankömmling um; es war nicht Barnaby, und auch kein Gärtner hätte einen derart selbstsicheren Gang.
»Es ist Jordan«, sagte Jacqueline, als würde sie seine Unruhe spüren.
Und richtig, das braune Haar zerzaust, wie immer elegant gekleidet - ein wenig zu elegant für Gerrards Geschmack -kam Jordan ins Blickfeld, betrat die Plattform, verließ sie wieder und drehte sich zu ihnen um, richtete sich auf und entdeckte sie schließlich.
Es war sofort ersichtlich, dass er nicht nach ihnen gesucht hatte; trotzdem war es keine Überraschung, die sich in seinem Gesicht breitmachte. Ein gereizter Ausdruck trat in seine Züge, als er näher kam. Gerrard hatte den Eindruck, dass die Missbilligung nicht der Tatsache galt, dass er und Jacqueline allein gewesen waren, sondern dem Umstand, dass sie überhaupt hier waren.
Jacqueline zog an ihrer Hand. Unauffällig ließ er sie los.
»Guten Tag, Jordan.«
Jordan nickte zum Gruß. »Jacqueline.« Sein Blick glitt zu Gerrard. »Debbington.«
Gerrard erwiderte das Nicken. »Fritham. Suchen Sie Lord Tregonning?« Wenn ja, dann war das seltsam, denn Jordan kam nicht aus der Richtung des Hauses.
»Nein, nein - ich unternehme nur einen kleinen Spaziergang zur körperlichen Ertüchtigung.« Jordan machte eine ausholende Geste mit dem Arm. »Ich gehe hier oft entlang -Eleanor und ich dürfen uns schon seit Jahren frei in den Gärten bewegen.«
Jordan drehte sich um und spähte auf Gerrards Skizzenblock. »Wohl schon mit dem Porträt angefangen?«
»Ja.«
»Gut, gut.« Jordan richtete seinen Blick auf Jacqueline. »Je eher es fertig ist und je eher alle das Ergebnis betrachten können, desto besser ist es.«
Diese Bemerkung - sowohl vom Tonfall her als auch von der Wortwahl - war mehrdeutig. Gerrard blickte zu Jacqueline, konnte aber ihrer Miene nichts entnehmen. Ihr innerer Schutzschild war aufgerichtet. Was immer Jordan auch meinte, sie ließ nicht zu, dass es sie berührte, obwohl sie gesagt hatte, Jordan gehöre zu den wenigen, die an ihre Unschuld glaubten. Vielleicht war er ja einer von denen, die der Ansicht waren, Porträts seien immer falsch und enthüllten rein gar nichts.
»Nun.« Jordan verlagerte sein Gewicht; Jacqueline hatte ihn nicht ermutigt, länger zu verweilen, aber das schien auch gar nicht sein Wunsch. »Ich gehe dann mal lieber. Man will ja schließlich nicht das große Werk verzögern.«
Mit einem Nicken für sie beide entfernte er sich in Richtung nördliche Aussichtsplattform.
Gerrard wandte sich dorthin, wo Jordan auf getaucht war. »Wie ist er hergelangt?«
Jacquelines innere Zurückhaltung schmolz dahin. »Zu Fuß. Tresdale Manor liegt im nächsten Tal - obwohl es über die Straße eine längere Strecke ist, steht das
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