Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Hauchnah

Hauchnah

Titel: Hauchnah Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Virna Depaul
Vom Netzwerk:
Zustandes der gefundenen Knochen sämtliche DNA-Spuren zerstört waren. Und wenn das Kind aus Lindsays Leib geschnitten worden wäre …
    Er schauderte, verdrängte die Vorstellung von einem kleinen, flachen Grab irgendwo da draußen.
    Zunächst einmal musste er annehmen, dass Lindsays Kind lebte.
    Also, wo war es?
    Bonnie hielt an und wandte sich Natalie zu, die auf dem Beifahrersitz saß. „Willst du wirklich nicht, dass ich mit dir hineingehe? Ich tu es gern.“
    „Nein, danke. Und ich danke dir ganz herzlich fürs Herfahren.“
    „Weißt du, in welchem Camper dein Freund wohnt?“
    „In dem hellblauen, etwa auf halbem Weg die Gasse entlang. Er … draußen hängt immer die amerikanische Flagge.“
    „Ich sehe sie.“
    Natalie seufzte erleichtert auf. Aller Wahrscheinlichkeit nach wohnte Pete dann noch dort. „Und in einer halben Stunde holst du mich ab?“
    „Klar.“
    „Noch einmal herzlichen Dank für deine Hilfe. Ich bin einfach … einfach noch nicht wieder in der Lage, mit dem Taxi zu fahren.“
    „Mach dir keine Gedanken, Natalie. Ich bewundere dich für deinen Mut, überhaupt wieder auszugehen.“ Natalie vernahm den leisen Tadel in Bonnies Stimme, der verriet, dass sie in Wahrheitdas Gegenteil dachte. Natalie ging darüber hinweg und stieg, den Stock in der Hand, aus dem Wagen. Dann blieb sie stehen und hörte, wie Bonnie abfuhr.
    Der Regen, der vor ein paar Stunden plötzlich eingesetzt hatte, ließ ein wenig nach und wurde zu einem leichten Nieseln. Trotzdem fröstelte Natalie. Sie versuchte sich zu erinnern, wie der Wohnwagenplatz angelegt war. Sie war mehrmals in der angrenzenden Wohngegend unterwegs gewesen. Sollte sich eigentlich die Häuser längs der Straße vor dem Eingang zum Wohnwagenplatz vorstellen können. Doch ihr Gedächtnis war träge, noch schlechter als ihre Sehkraft.
    Ihr blieb nicht allzu viel Zeit bis zu Bonnies Rückkehr. Plötzlich erschien ihr der Weg zu Petes Wohnwagen als zu große Kraftanstrengung. Am liebsten wäre sie beim Rauschen des Regens eingeschlafen. Flüchtig stellte sie sich genau das vor. Im selben Atemzug quälten sie Erinnerungen an die Nacht in Macs Armen.
    Bis zu ihrem Streit hatte sie überhaupt keine Müdigkeit verspürt. Vielmehr fühlte sie sich so lebendig wie lange nicht mehr. Die Wochen, bevor sie ihn kennenlernte, waren gemütlich, vorhersehbar und langweilig gewesen. Doch seit er ihre Tür eingeschlagen hatte, herrschte der blanke Wahnsinn. Würde sie jemals die glückliche Mitte zwischen den beiden Extremen finden?
    Sie lauschte dem einsamen Heulen des Windes. Die Welt blendete sich im Takt mit ihren langsamen, schaudernden Atemzügen ein und aus. Wieder einmal fühlte sie sich völlig allein. Ohne Vorwarnung fand sie sich wieder in diesem muffigen alten Schrank, und all ihre kindlichen Ängste vor Buhmännern und Monstern erwachten in ihr zum Leben.
    Die umgebenden Häuser, die sie sich hatte vorstellen wollen, nahmen endlich in ihrem Kopf Gestalt an, wirkten jedoch nicht tröstlich und anheimelnd, sondern bedrohlich. Aus Fenstern wurden dämonische Augen, die sie bösartig anstarrten. Gepflegte Rasenflächen und Bäume streckten sich wie unheimliche Hände nach ihr aus. Bogenförmige Eingänge verwandelten sich in offene Mäuler mit spitzen Zähnen, bereit, sie mit Haut und Haaren zu verschlingen.
    Wenn sie jetzt starb, würde es niemand erfahren. Wenn sie schrie, hörte sie niemand. Wäre es nicht in gewisser Weise besser so? Wenn Mac recht hatte und jemand aus der Kirchengemeinde es auf sie abgesehen hatte, würde dieser Jemand doch nicht einer toten Frau nachstellen. Da Lindsay nicht mehr lebte und auch Alex Hanes tot war, hörte vielleicht einfach alles auf. Mac könnte sich einem anderen Fall zuwenden …
    Hör auf! Am liebsten hätte sie sich selbst geohrfeigt. Was war in sie gefahren? Sicher glaubte Mac, sie wäre von einer Art Todessehnsucht besessen, aber es stimmte nicht. Sie wollte nicht sterben.
    Sie wollte nur diese Sache hinter sich lassen. Mac helfen, den Fall abzuschließen. Die Wahrheit herausfinden. Ihr Leben in geordnete Bahnen bringen.
    Es würde ein Leben ohne Mac sein, aber trotzdem ein gutes Leben.
    Endlich marschierte sie los, suchte sich mühsam Schritt für Schritt ihren Weg über den unebenen, von Kieseln übersäten Boden und hoffte, dass sie sich tatsächlich Petes Wohnwagen näherte.
    „Warum weinst du, Natalie, du Hübsche?“
    Natalie japste erschrocken. Ihr war gar nicht bewusst geworden, dass sie

Weitere Kostenlose Bücher