Hauchnah
tatsächlich weinte. „Pete?“
„Ganz recht. Ich kenne dich, schöne Frau. Du bist immer stehen geblieben, um mich zu begrüßen und ein paar Scheinchen in meinen Korb zu werfen. So lieb.“
Sie erkannte seine Stimme. Stellte ihn sich vor, wie sie ihn zuletzt gesehen hatte. Den Schnurrbart im Gesicht, die schäbigen, schadhaften Kleider. Sie spürte den Drang, ihn zu umarmen, und wollte gleichzeitig weglaufen.
„Komm rein. Dann können wir reden.“
Natalie nickte und lächelte matt. Sie ließ sich von Pete in seinen Wohnwagen und zu einem Sessel führen. Als sie saß, legte er ein Plaid um ihre Schultern.
„Warum bist du hier, Natalie? Warum bist du traurig?“
Sie öffnete den Mund, schloss ihn wieder, wusste nicht, womit sie beginnen sollte. Schließlich entschied sie sich für dieWahrheit. „Ich bin auf gut Glück hierhergekommen. Das letzte Mal habe ich Sie auf dem Bauernmarkt gesehen. Vor etwa zwei Monaten. Sie haben jemandem etwas nachgerufen. Ich erinnere mich daran. Und es könnte wichtig sein.“
„Was habe ich gesagt?“
„Sie haben jemanden einen Heuchler genannt. Einen Scharlatan. Sie haben gesagt, dieser Jemand würde eine Frau blenden und sie solle ihm nicht geben, was er haben wollte.“
„Ah, jetzt weiß ich es wieder.“
„Tatsächlich! Das ist gut. Ich hatte schon fast gedacht, ich hätte es mir eingebildet. War es jemand, den Sie kennen?“
„Nein. Ich habe ihn nie zuvor gesehen.“
„Warum haben Sie das dann gesagt?“
Er antwortete nicht. Er seufzte nur und bewegte sich unruhig. „Ich habe Wein da. Möchtest du?“ Er schob sich an ihr vorbei, und erst jetzt nahm sie einen leichten Alkoholgeruch wahr. „Das wärmt dich ein bisschen auf.“
Sie zögerte. Ihr war kalt. Eisig kalt. Sie nickte.
„Bitte schön.“
Natalie streckte die Hand aus und nahm das Glas entgegen. Sie trank einen tiefen Zug, dann noch einen, denn ihr wurde tatsächlich wärmer.
„Ich erinnere mich an das Pärchen, von dem du sprichst. Aber sie hat nicht auf mich gehört, oder? Sie hat ihm gegeben, was er haben wollte. Ich wusste es. Ob freiwillig oder nicht, sie hat ihm ihr Kind gegeben.“
Ihr Kind? Pete hatte offenbar schon vor ihrem Eintreffen getrunken.
Er fing an, ein Wiegenlied zu singen. Ein Lied, bei dem sich ein geliebtes Wesen geborgen fühlte, die Augen schloss und friedlich schlief. Fest schlief.
Natalie seufzte. Ja, er war betrunken. Doch er hatte eine schöne Stimme. Und der Text des Schlaflieds war wunderschön.
Sie trank noch einen Schluck Wein. Schloss die Augen. Lauschte seinem Gesang.
„Ich streiche dir übers Haar, während du schläfst“, summte er. „Du bist nicht allein …“
Natalie schlief beinahe wirklich ein. Sie stellte sich vor, wie ein Kind in den Bann von Petes Stimme geriet. Lindsays Kind.
„Sie war schwanger?“, fragte sie dann leise.
Doch noch während sie die Frage aussprach, blitzte in ihrer Erinnerung das verschwommene Bild eines zierlichen dunkelhaarigen Mädchens an der Seite eines großen Mannes mit silbrigem Haar auf. Etwas an der Haltung des Mädchens ließ sie aufmerken. Etwas an der Art, wie sie eine Hand auf ihren Bauch legte. Was war das? Was …
Endlich fand sie das Puzzlestück, das ihr noch fehlte für dieses unvollständige Bild.
Ihr Leib war nicht flach, aber auch nicht gewölbt gewesen. Natalie hatte sie nicht als schwanger erkannt. Doch diese Haltung hatte Natalie schon oft bei schwangeren Frauen registriert. Die Art, wie sie unbewusst das Kind im Mutterleib schützen wollten.
Im Geiste ging sie die Möglichkeiten durch. Mac vermutete, dass der Reverend auf junge Mädchen stand. Unausgesprochen blieb sein Verdacht, er könne eine Affäre mit Lindsay gehabt haben. Und wenn er nun erfahren hätte, dass sie schwanger war? Wenn er das vertuschen musste? Wenn er Alex Hanes angeheuert hatte, um Lindsay zu töten?
Natalie war sich trotzdem nicht sicher, ob das alles nur Einbildung oder eine echte Erinnerung war. Wenn es aber zutraf, war Lindsays Schwangerschaft ein Hinweis, von dem Mac wissen musste. Es war ein Hinweis, den sie ihm geben konnte.
„Danke, Pete. Ich muss telefonieren.“
Er hörte abrupt auf zu singen. „Natürlich. Hab keine Angst, Natalie, du Schöne. Alles wird gut.“
Seine Worte trieben ihr die Tränen in die Augen. Nein, sie glaubte ihm nicht, fühlte sich aber dennoch ein wenig getröstet.
Nachdem Bonnie sie abgeholt und heimgebracht hatte, wählte sie von zu Hause aus Macs Nummer.
Er meldete sich beim
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