Hauchnah
den frischen Blutergüssen an ihrem Hals und den zahlreichen blauen Flecken an ihrem Arm, die älter aussahen.
Mac runzelte die Stirn und lockerte seinen Griff, sodass seine Finger ihre weiche Haut kaum berührten, doch er ließ Natalies Arm nicht vollständig los. Er empfand den gleichen Beschützerinstinkt wie in dem Moment, als er ihre Schreie gehört hatte. Er hatte nicht gezögert oder sich mit Jase beraten, bevor er die Tür aufbrach. Er hatte spontan gehandelt, seine Waffe gezogen und keinen Gedanken an Vorschriften oder gar seine eigene Sicherheit verschwendet. Sein Verhalten war das eines Mannes, dessen Frau oder Kind in Gefahr schwebte, obwohl Natalie doch eine völlig Fremde für ihn war.
Für den Bruchteil einer Sekunde durchrann ihn eine Welle vonetwas Unbekanntem, aber erschreckend Angenehmem. Bevor er das Gefühl benennen konnte, begann Natalie zu zittern und wich zurück. Instinktiv versuchte Mac sie festzuhalten, ließ dann jedoch bedachtsam die Hand sinken. Kaum dass er Natalie nicht berührte, fühlte er sich wieder normal.
Hatte sie es gespürt? Hatte sie den Verlust empfunden? War möglich, denn Panik lag in ihrem Blick. „Ganz ruhig“, beschwichtigte er sie. Das war zumindest seine Absicht, doch sie zuckte zusammen. „Sie müssen mir antworten. Ist alles in Ordnung?“
Sie machte den Mund auf, aber kein Ton kam heraus. Völlig ohne Make-up, das feuchte Haar aus dem Gesicht gestrichen, nahm Mac nur noch ihre Augen und ihre Lippen wahr. Es waren große karamellfarbene Augen mit einem grünen Ring um die Iris, und die Farbe war verlockend, trotz der geplatzten Äderchen, die typisch für Opfer einer versuchten Strangulierung waren. Die langen Wimpern waren viel dunkler als ihr Haar. Die ungeschminkten, vollen Lippen waren halb geöffnet und verstärkten damit den Ausdruck von Verwirrung und Verletzlichkeit.
Und sie hatte diese Blutergüsse. Schnittwunden und blaue Flecken überall im Gesicht, frische wie alte.
Mac sah noch mehr. Unterschwelliges. Er sah die feinen Falten neben ihrem Mund, die ahnen ließen, dass sie gern lachte, und die tiefe undurchdringliche Traurigkeit in ihren Augen, die ihm verriet, dass sie es nicht mehr konnte. Alles an der Frau war widersprüchlich, so geheimnisvoll und unangenehm wie das heftige Verlangen, das durch seine Adern rauschte. Eine verrückte Sekunde lang fragte er sich, wie sie wohl schmecken mochte.
Vielleicht hatte sie sich bei ihrem Sturz den Kopf gestoßen, aber wie brachte er sie nun zum Sprechen? Er musste sie aus der Reserve locken, und zum Glück war er ein Meister des Pokerface, besser als alle, die er kannte.
Er wollte stehen bleiben, doch irgendetwas ließ ihn zögern. Es war, als wäre er durch ein unsichtbares Band mit der Frau verbunden. Dieses „Etwas“ zwang seinen Blick jetzt auf ihrfeuchtes T-Shirt, das ihre vollen Brüste umspannte. „Wenn Sie mir nicht antworten, rufe ich ein Taxi.“
Verwirrt runzelte sie die Stirn.
„Einen Rettungswagen. Wir nennen sie Taxis.“
Oha. Er bemerkte, wie ihre Muskeln sich anspannten. Es schien, als ob Natalie flüchten wollte.
„Si…sitzen …“, flüsterte sie und versuchte sich aufzurichten. Mac umfasste ihren Ellenbogen und half ihr geschmeidig auf die Füße. Mit Rücksicht auf ihren langsamen, steifen Gang führte er sie zu dem grünen Sofa ein paar Schritte vom Laufband entfernt. „Wasser. Bitte“, presste sie krächzend hervor und ließ sich auf die Couch sinken.
„In den Schlafzimmern ist die Luft rein“, berichtete Jase, während er ins Zimmer kam. Über Natalies Schulter hinweg warf er Mac einen fragenden Blick zu.
„Bin gleich wieder hier. Bleib bei ihr.“ Mac ging in die Küche und durchsuchte ein paar spärlich bestückte, aber tadellos aufgeräumte Schränke, fand allerdings keine Gläser. Er beugte sich herab, damit er in den Schubladen nachsehen konnte. „Wo sind Ihre Gläser?“, rief er.
Die leise Antwort verstand er kaum. „Pappbecher auf dem Tresen, zwei Schritte neben der Mikrowelle.“
Er griff nach einem Becher und füllte ihn mit gefiltertem Wasser aus dem Kühlschrank. Sie hob die Hand, als Mac ins Zimmer zurückkehrte, und nahm den Becher entgegen. Sie trank einen tiefen Zug, dann mehrere kleine Schlucke.
Vorsichtig setzte sie den Becher ab, hielt ihn leicht mit beiden Händen und starrte ihn an. „Warum sind Sie gekommen?“
„Wir sind vom Justizministe…“
Sie hob den Kopf und fixierte einen Punkt über seiner Schulter. „Sie sagten, Sie
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