Hauchnah
Eine natürliche Verlängerung seiner Hand.
Wenn er Natalie Jones tötete, wären so viele Probleme gelöst.
Es würde Alex helfen. Es würde Ihm helfen.
Und wenn er für Gott tötete, konnte er vielleicht auch andere Dinge tun. Dinge, die er in seinem früheren Leben getan hatte. Dinge, die keinen Zweck erfüllten, weil er keinen Zweck erfüllt hatte. Da er jetzt ein Diener Gottes war, hatte er vielleicht das Recht, das alles zu genießen.
Trinken. Rauchen. Vögeln.
Töten.
Alles ohne Angst vor Nachwirkungen.
Andererseits, nichts blieb ohne Nachwirkung.
Gott war der ultimative Richter, und Alex hatte das alles nicht ohne Grund aufgegeben.
Für Ihn. Für eine Familie, die nicht da war.
Aufgewühlt bewegte er die Knie auf und nieder, stöhnte und barg das Gesicht in den Händen. Nein, nein, nein. Diese Gedanken waren nicht gut. Waren nicht richtig. Der Teufel hockte bei ihm im Auto und schlich sich in sein Bewusstsein ein.
Er musste stark sein und widerstehen.
Er hatte den rechten Weg gewählt. Hatte noch seinen Glauben. Aber er wusste nicht mehr, wie es weitergehen sollte. Welcher Stimme in seinem Kopf er vertrauen sollte. Deswegen war er zur Kirche gekommen. Um zu beten. Mit Ihm zu sprechen. Doch Er hatte ihn im Stich gelassen. Er hatte sein Flehen um Antworten nicht erhört.
Er ließ die Hände sinken, kaute an seinem Daumen und warf einen Blick auf das offene Handschuhfach. Das Beutelchen mit der Spritze und dem restlichen Zubehör war hinter Papieren verborgen, doch er wusste, dass es da war. Vielleicht … vielleicht wurde alles wieder wie vorher, wenn er die Stimmen nur für einekleine Weile zum Schweigen bringen konnte. Er würde aufhören zu fragen. Wieder sicher sein. Drogen hatten in der Vergangenheit die Monster zum Schweigen gebracht. Hatten ihn in einer verschwommenen, surrealen Umarmung gewiegt, ihm das Gefühl der Sicherheit gegeben. Der Unbesiegbarkeit.
Die Droge konnte ihm das Gefühl wiedergeben.
Aber nein, das wäre nicht recht.
Nicht?
Oder doch?
Er schlug jetzt mit den Fäusten aufs Steuer, sein Atmen klang wie Schluchzen. Er hatte alles getan, was Er ihm befohlen hatte. Er war auf der Suche nach Hilfe hierhergekommen. Und Er war nicht da.
Er. Gott. Clemmons. Reverend Morrison. In seinem Kopf waren sie alle eins. Er war ihnen allen Treue schuldig.
Was sollte er tun? Was?
Die Pistole in der einen Hand, griff er mit der anderen ins Handschuhfach.
19. KAPITEL
O kay, wir sind da“, sagte Liz.Natalie öffnete die Wagentür, stieg aus, atmete die frische Luft und hörte den Wind in den Bäumen und Büschen im Park rauschen. Sie hörte, wie Liz um den Wagen herumging und neben ihr stehen blieb. „Möchtest du meinen Arm nehmen? Wenn wir uns unterhaken, kannst du die Kamera halten und nach Herzenslust fotografieren.“
Natalie hatte eigentlich gar nicht die Absicht, zu fotografieren. Das hatte sie nur als Vorwand benutzt. Möglicherweise brachte dieser kleine Ausflug ja gar keine neuen Erkenntnisse; und es war doch nicht nötig, falsche Hoffnungen zu wecken. Doch als Liz jetzt ihr Angebot machte, erschien es Natalie vernünftig. Eine Zeit lang nicht auf ihren Stock angewiesen zu sein wäre sicher wunderbar. Zu gehen und trotzdem beide Hände freizuhaben.
„Das wäre … nett. Danke.“
„Bitte schön.“ Liz zog Natalies Arm durch ihre Ellenbogenbeuge. „Hast du ein bestimmtes Ziel im Auge?“
Die Frau war so sachlich, dass Natalies Verlegenheit sich bald verflüchtigte. „Zum Pavillon am nördlichen Ende.“ Dort hatte sie damals ihren Wagen geparkt und mit dem Fotografieren begonnen. Sie gingen Seite an Seite, Liz hielt mühelos mit ihr Schritt und dirigierte sie an Hindernissen vorbei, aber nicht, ohne sie vorher darauf aufmerksam gemacht zu haben. Natalie staunte, dass sie sich zusammen so flüssig bewegen konnten. „Hast du eine blinde Verwandte, von der ich nichts weiß?“, scherzte sie.
„Ja, tatsächlich. Meine Mutter ist blind.“
Daraufhin geriet Natalie ins Stolpern, fing sich aber rasch wieder. „Tut mir leid. Ich meine, entschuldige, dass ich das gesagt habe. Wie …?“
„Sie ist blind geboren.“
„Und … kommt sie zurecht?“
„Klar. Sie ist eine tolle Frau. Hat sechs Kinder und ist fürmeinen Dad die Liebe seines Lebens. Nächsten Monat nimmt sie an einem Judo-Wettkampf teil. Vor etwa einem Jahr hat sie angefangen, Judo zu lernen, und sie gibt gern damit an, dass sie jeden jederzeit aufs Kreuz legen kann. Die Probe aufs Exempel habe ich noch
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