Haunted (German Edition)
blickte auf dieses offene Loch in der Wand, und es erschien jetzt irgendwie dunkler als zuvor. Warum hatte jemand dieses Geheimfach gebaut? , fragte er sich, und keine der Antworten, die ihm in den Sinn kamen, war gut.
Er griff nach dem Brett und deckte die Stelle schnell zu.
Und alles verwandelte sich wieder zurück.
Das Unbehagen, das er nur Sekunden vorher gespürt, die angsterfüllte Luft, die scheinbar über der Einsatzzentrale gehangen hatte, verschwand. Alles war wieder normal, schwer vorzustellen, dass es jemals anders gewesen sein könnte. Er und Robbie schauten sich an.
»Was glaubst du, wer hat dieses Geheimfach gebaut?«, fragte Robbie. »Und was glaubst du, wofür haben sie es verwendet?«
»Ich habe keine Ahnung«, gab James zu.
Danach waren beide still, keiner wusste, was er sagen sollte, sie waren von dem, was James aus irgendeinem unerklärlichen Grund getan hatte, peinlich berührt. Robbie lief zum Bücherregal, öffnete eine Dose Pringles und zog eine Handvoll gestapelter Chips heraus. James stand verlegen in der Mitte des Raumes und versuchte an etwas zu denken, was er unternehmen könnte. Schließlich lief er ans Fenster und schaute in den Garten hinaus, er fragte sich, ob sie eine Art Schutz oder Rollladen an dem Glas anbringen könnten, sodass sie hinausschauen konnten, aber andere davon abgehalten wurden, hereinzusehen. Auf diese Weise könnten sie jeden heimlich beobachten, der vorhatte, sich der Einsatzzentrale zu nähern.
Seine Augen streiften über das Gras, über die Büsche, zum Haus. Sein Blick wanderte an der Seite des Hauses nach oben zum Fenster des Arbeitszimmers seines Vaters im zweiten Stock …
Und er hielt schnell die Luft an.
Dort im Fenster stand ein dreckiger Mann in zerfetzten Kleidern und starrte ihn an.
Er grinste.
Es war der Mann aus seinem Traum, der Mann aus dem Keller, und sogar von hier konnte James das unnatürliche Weiß der Zähne sehen, diese seltsame Muskulatur eines nicht ganz menschlichen Gesichts.
Wo war sein Dad?, fragte sich James. Die Vorstellung, dass sich sein Vater ebenfalls im Arbeitszimmer befand, mit diesem … Wesen , ließ James das Blut in den Adern gefrieren. »Robbie?«, sagte er, aber seine Stimme klang nach einem geflüsterten Krächzen. Er räusperte sich und versuchte es erneut. »Robbie?«
»Was?«
James hörte seinen Freund herüberlaufen, aber er weigerte sich hinzuschauen und wandte seine volle Aufmerksamkeit weiterhin der Gestalt im Fenster zu. Einen Sekundenbruchteil bevor Robbie nahe genug war, um ihn zu sehen, verschwand der Mann, war plötzlich weg, als hätte man ihn mit einem Schalter ausgeknipst.
»Du hast es verpasst! Da an diesem Fenster hat ein Mann gestanden«, deutete James.
»Dein Dad?«
»Nein. Der Mann im Keller, von dem ich geträumt habe.«
Robbie erwiderte nichts, aber sein Gesicht war bleich.
»Er war da. Ich habe ihn gesehen. Er hat mich angeschaut.«
Robbie widersprach nicht, und James wusste, dass sein Freund ihm glaubte.
Er wollte nicht, dass Robbie ihm glaubte, stellte James plötzlich fest. Er wollte, dass man ihm ausredete, was er gesehen hatte, wollte mit einer absolut vernünftigen, rationalen Erklärung konfrontiert werden, die so hieb- und stichfest und allumfassend war, dass er ihre Wahrheit nicht bestreiten konnte. Er wollte nicht mit dieser Verwirrung zurückgelassen werden. Und mit dieser Angst.
Aber er sagte nichts zu Robbie, und die beiden arbeiteten schweigend weiter, als sie ihre ergatterten Möbel wieder einmal umräumten.
Am nächsten Morgen fand James das Skelett eines Rotluchses in der Erde.
Er war nicht einmal sicher, warum er beschlossen hatte, ein Loch zu graben, wenn es immer noch so viel Arbeit in ihrer Einsatzzentrale zu erledigen gab, aber nach dem Frühstück dauerte es noch zwei Stunden, bis Robbie vorbeikam, und James ging nach draußen, nahm eine Schaufel aus dem Geräteschuppen und stieß ihr spitzes Ende in die festgetretene Gartenerde, dabei benutzte er seinen Fuß, um sie tiefer hineinzustoßen, und schüttete die gelockerte Erde auf einen Haufen neben einem der Rosenbüsche. Im Geiste hatte er die vage Vorstellung, einen Geheimtunnel zu graben, oder vielleicht einen unterirdischen Raum, in dem er Sachen verstecken könnte, aber in Wahrheit hatte er keinen Plan, keinen echten Grund für das, was er gerade tat. Ihm war einfach … nach Graben.
Und das tat er. Unter der harten Schicht Mutterboden wurde die Erde lockerer, sie ließ sich einfacher ausschaufeln,
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