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Hauptsache, es knallt!

Hauptsache, es knallt!

Titel: Hauptsache, es knallt! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthias Sachau
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sie schauen wieder die sitzende Braut an. Und die Braut schaut zurück. Und sie hat auch noch etwas beizutragen.
    »Espffffffff war gar nichthihihi René!«
    »Scheiße noch mal, es war gar nicht Rehehehené!«
    »Typisch Cindy! Kommthihihi auf ne fremde Hochzeit und pfffffffickt erst mal den Bräutigam über den Haufen! Harharhar!«
    »Hehehe! Hätt ich mir selbst nicht zugetraut!«
    »Ey, du bist viel zu schade für René. Willst du nicht lieber mich heiraten? Pffffff!«
    »Hihihi! Immer schön hinten anstellen.«
    »Hinten! Pfffff! Sie hat hinten gesagt! Zwinkerzwinker!«
    Und schon klar, eigentlich müsste man den dreien jetzt erst einmal dankbar sein, dass sie keine Schlägerei vom Zaun brechen. Aber das ändert natürlich nichts ­daran, dass die ganze Situation grässlich peinlich ist, und ich mache das, was man in grässlich peinlichen Situa­tionen immer als Erstes tut. Ich schaue weg. Aber das mit dem Wegschauen ist halt so eine Sache. In Wirklichkeit schaut man gar nicht weg, sondern einfach nur woandershin. Und wo genau dieses Woanders ist, ergibt sich eher zufällig, nach dem Motto: »Überall ist es besser als hier.« Und so kommt es, dass ich, ohne es wirklich zu wollen, meinen Wegschaublick ausgerechnet auf Diethart Füllkrug richte, der soeben in der Tür erschienen ist. Und so mächtig sein Körper auch ist, er kann die Polonaiseschlange hinter ihm nicht verbergen. Angesichts von Braut-Cindy & The Entführers könnte man natürlich wieder sagen: von der Traufe in den leichten Nieselregen, aber im ersten Moment sehe ich eindeutig die schlechte Seite. Wenn man wegschaut, weil man vier Menschen absolut unerträglich findet, ist es nicht schön, wenn man als Nächstes ausgerechnet dem fünft­unerträglichsten Menschen ins Gesicht schaut und der auch noch eine ganze Polonaiseschlange im Rücken hat. Und »fünftunerträglichster Mensch« sage ich nicht ohne Grund, denn die Freude über den ganzen Schlamassel, die gerade in Füllkrugs Augen aufflackert, die ist einfach gemein, das kann man nicht anders sagen.
    Andererseits hat es auch eine gute Seite, dass ich in dieser Situation meine Aufmerksamkeit auf Füllkrug richte. So merke ich wenigstens, was sich anbahnt, und falle nicht schon wieder in Schockstarre, als es passiert. Es ist nämlich so: Wenn einem unverhofft ein großes Glück in den Schoß fällt, dann will man mit seiner Freude auch nach außen. Gut zu beobachten an Füllkrug. Der dreht seinen Kopf nach hinten und betrachtet sein Gefolge. Die meisten grinsen blöd in sich hinein. Nur im Gesicht des vierten Schlangenglieds von vorne, Tante Otti, findet er ein ähnlich starkes Freudenflackern wie in seinen Augen. Die beiden sehen sich an. Und selten zuvor habe ich das Phänomen des stummen Einverständnisses so gut beobachten können wie bei den beiden in diesem Moment.
    Und dann zählt Füllkrug vor.
    »Zwo, drei, vier!«
    Und sie beginnen zu singen.

Entführerbuam
    [Anmerkung des Autors: Entgegen meinen Prinzipien muss ich an dieser Stelle meiner Hauptfigur Tim für einen kurzen Moment das Wort entziehen. Ich tue das, um die Leser zu schützen. Füllkrug und Otti stimmen nämlich ein Lied an, das zu schrecklich ist, um es genau zu beschreiben. Woher das Lied ursprünglich kommt, ist nicht geklärt. Es gibt zwei Theorien: Entweder wurde es im Auftrag einer finsteren Macht von einem Team aus hochkarätigen Terrorspezialisten ersonnen, oder, was ich für wahrscheinlicher halte, es stammt aus der Feder eines verpickelten dreizehnjährigen Jungen, den man mit vorgehaltener Waffe gezwungen hat, einen gereimten Text darüber zu schreiben, wie er sich Sex vorstellt.
    Ich möchte über das Lied nur so viel sagen: Es heißt »Lieschen, Lieschen«, und es wird regelmäßig in überfüllten Skihütten nach Liftschluss gespielt, sowie an allen anderen Orten, an denen man Aliens trifft. Sollten Sie zu den glücklichen Menschen zählen, die dieses Lied noch nie gehört haben, sorgen Sie um Gottes willen dafür, dass das auch so bleibt. Sollten Sie zu den anderen gehören, stimmen Sie mir sicher zu. Ich darf Tim auf keinen Fall Raum geben, ausführlicher über »Lieschen, Lieschen« zu berichten. Womöglich würde dieser Schlumpf vollständige Textpassagen zitieren oder gar die Melodie vorsummen.
    Belassen wir es also dabei: Füllkrug und Otti fangen an, »Lieschen, Lieschen« zu singen. Die drei Entführerbuam und Cindy, die betrunkene Braut, singen als Erste mit. Dann steigt die entfesselte Frau von

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