Hauptsache, es knallt!
sogar Stoßgebete gesprochen hatte, dass Janina und Markus um Gottes willen nicht mehr aus ihrem Hochzeitszimmer herauskommen sollen, passiert es. Gerade als Jil und ich die gut zwei Dutzend zusammengesammelten Kerzen ohne Rücksicht auf Verluste auf der Teppichtischdecke festgetropft haben und Henriette den Kronleuchter ausschaltet und das wunderbare, warme Licht kreuz und quer über die verschlungenen Muster auf unserer improvisierten Tafel flackert, kommt Janina durch die hintere Tür. Ihr Brautkleid sieht immer noch ganz ordentlich aus, wenn man bedenkt, was schon alles passiert ist. Und dass sie geweint hat, sieht man in dem Schummerschein kaum. Aber dass sie beim Anblick unserer Teppich-Kerzenlicht-Tafel ein ganz klein wenig lächelt, das bekomme ich sehr wohl mit. Ob das heißt, dass sie das Paderborn-Ding mit Markus geklärt hat und alles gut zwischen den beiden ist? Bestimmt heißt es das. Und plötzlich hört sich das scheußliche Gegröle zwei Räume weiter nur noch halb so laut an.
Wenn es jetzt noch ein zweites Mal so gut mit dem Timing klappt, denke ich mir. Wenn Bräutigam Markus nun auch noch kommt. Und Patrick und Bülent mit der wundergeheilten Musikanlage gleich hinterher. Mit den Zieglers, den Mitscherlichs, Svea, Kurt und Linda im Schlepptau. Und wenn Bülent dann sofort »Ain’t no Sunshine when she’s gone« auflegt, während wir alle Türen so fest verrammeln, dass keiner der ganzen Freaks mehr zu uns vordringen kann. Ja, dann würde diese Hochzeit am Ende doch noch unter einem goldenen Stern ins leuchtende Abendrot segeln. Ob alles gut wird, entscheidet sich nämlich in solchen kleinen Momenten.
Ich stupse Janina von der Seite an.
»He, schöne Frau. Wo bleibt Markus?«
»Keine Ahnung. Ich dachte, er ist noch bei euch. Deswegen bin ich ja runter. Toller Lendenschurz übrigens. Welcher Indianerstamm ist das? Leopachen?«
»Moment mal, Markus ist vorhin zu dir hoch. Wieso …?«
Aber bevor ich auch nur einen Takt weiterdenken kann, hören wir einen entsetzlichen Schrei durch das Schloss hallen. Natürlich ist auf diesem Fest ein Schrei schon längst kein Grund mehr, das laufende Geschäft zu unterbrechen. Spätestens seit der Sache mit der Todeskralle wird hier praktisch im Minutentakt geschrien. Aber dieser Schrei ist anders. Ein Urschrei. Pures Entsetzen in Lautform. Nur ein Mensch in höchster Agonie kann so einen Schrei ausstoßen. Sogar die Schlange zwei Türen weiter hält auf einmal still, und der schreckliche Gesang verstummt.
Und im nächsten Augenblick kommt Markus zu uns hereingestolpert. Mit zerknittertem Bräutigamfrack, tellergroßen Augen und einem zur Maske erstarrten Gesicht.
Und ohne Hose.
Er scheint uns überhaupt nicht zu bemerken. Er starrt nur geradeaus ins Leere und stammelt dabei immer wieder einen einzigen Satz:
»Ich glaube, ich habe gerade mit einer anderen Frau geschlafen.«
Große Beule
Ich glaube, ich habe gerade mit einer anderen Frau geschlafen.
Das sagt man nicht einfach so. Und vor allem nicht auf seiner eigenen Hochzeit. Jedenfalls nicht, wenn man Markus Mitscherlich heißt, aus Salzminden kommt und Janina Ziegler liebt und weder auf seiner Hochzeit noch sonst wo mit anderen Frauen zu schlafen pflegt. Aber Markus hat es gesagt, es gibt keinen Zweifel. Egal, welches Gesicht ich anschaue, alle spiegeln es mir zurück: Er hat es gesagt . Und wenn Markus es gesagt hat, dann muss er es getan haben, sonst hätte er es nicht gesagt, und so weiter.
Nachdem das geklärt ist, fängt mein Hirn an, richtig zu arbeiten. Und je mehr es arbeitet, umso mehr wünsche ich mir, es würde seine Arbeit sofort wieder sein lassen. Unter Stress gesetzt, stellt es sich nämlich manchmal viel schlauer an, als mir lieb ist. Es spekuliert nicht wild herum, es begibt sich eiskalt zu dem Punkt zurück, wo das Unheil begonnen hat, und geht der Sache auf den Grund: Ich hatte Markus zu Janina hochgeschickt. Er machte sich auf die Socken und … Ja, was passierte dann?
Er wusste nicht, wo das Hochzeitszimmer war.
Und er hat beim Rausgehen Frau von Weckenpitz etwas gefragt.
Die Zimmernummer.
Und Frau von Weckenpitz bringt Zahlen immer durcheinander.
Weil Zahlen ja überhaupt nicht wichtig sind.
Jahreszahlen, Zimmernummern, wen interessiert das schon?
Und Markus hat diese ganz spezielle Affinität.
Zu Frauen in Brautkleidern.
Und an diesem Punkt klinkt sich ein Teil meines Hirns aus dem Denkprozess aus und beginnt, hysterisch herumzuschreien. Aber so laut
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