Hauptsache Hochzeit
sei ich in einem Paralleluniversum gelandet. Irgendwann gelang es mir schließlich, mich aus dem Bett zu schälen. Ich wusste nicht, was zwischen mir und Hugh vorgefallen war, wusste nicht, was er sich nun für die Zukunft vorstellte. Was ich jedoch sehr genau wusste, war, dass ich mit Max reden musste. Und dass es mir nicht half, wenn ich mich weiterhin unter der Bettdecke verkroch – vor allem nicht unter Hugh Barters Bettdecke.
Ich fühlte mich sehr merkwürdig, als ich die Straße entlangging, und das lag nicht nur an dem flauen Gefühl in meinem Magen. Es hatte eher damit zu tun, dass ich in einer Gegend unterwegs war, die ich nicht kannte, und dass ich die letzte Nacht in der Wohnung eines Mannes verbracht hatte, den ich geküsst hatte – und weiß der Himmel was sonst noch. Das alles kam mir so verdreht vor, als sei ich in das Leben eines fremden Menschen geraten. Ich wusste nicht mehr, wie ich mich verhalten sollte – eigentlich wusste ich nicht einmal mehr, wer ich eigentlich war. Am Tag zuvor war ich noch Jess gewesen, ich selbst also. Und jetzt … jetzt hatte ich keinen blassen Schimmer mehr. Ich weiß: Dass man sich fühlt, als würde einem der Boden unter den Füßen weggezogen, ist eine abgedroschene Redensart, aber genau um dieses Gefühl handelte es sich. Wie im freien Fall. Wie Alice im Wunderland. Und ich hatte keine Ahnung, wann ich wieder Boden unter den Füßen spüren und wie hart der Aufprall sein würde.
Im Moment wusste ich nicht mal, wo ich eigentlich hinging. Zu Helen, wo man mich fragen würde, wo ich denn nur gesteckt hatte? Zu Max, um mich dort dem unvermeidlichen Showdown zu stellen? Ich schauderte bei dem Gedanken. Zu Helen also. Wenn ich es mir recht überlegte, schien sie nicht allzu besorgt um mich gewesen zu sein. Ich meine, wenn sie mit mir ausgegangen und dann plötzlich verschwunden wäre, hätte ich zumindest versucht, sie auf ihrem Handy zu erreichen. Oder vielleicht doch nicht, aber das lag eher daran, dass Helen so was öfter machte. Und da fiel es mir ein. Ich hatte mein Handy ausgeschaltet.
Ich fischte es schnell aus meiner Handtasche und schaltete es ein, worauf es sofort zu brummen und blinken begann. Und mir fiel auch schlagartig wieder ein, weshalb ich es zum Schweigen gebracht hatte: wegen der Anrufe von Max und der SMS, denen weitere Anrufe von Max gefolgt waren. Ich wählte die Nummer meiner Mailbox und hörte die Nachrichten ab.
»Schatz, ich bin’s. Sag mal, hattest du mir erzählt, dass du heimgehen wolltest? Ich habe nämlich, glaube ich, eine Akte auf dem Küchentisch liegenlassen – könntest du vielleicht kurz mal zurückrufen? Da ist eine Telefonnummer drin, die ich brauche – auf der ersten Seite, glaube ich. Ich liebe dich.«
Ich winkte ein Taxi herbei und teilte dem Fahrer Helens Adresse mit. Ich liebe dich? Ach ja? Ich schniefte wehleidig.
»Jess? Ist alles okay? Ich hab immer noch nichts von dir gehört. Ich hoffe, du hast einfach nur beim Shoppen für die Hochzeit alles andere vergessen. Also, ich liebe dich, und bis später. Was hättest du gern zum Abendessen?«
»Jess? Sag mal, wo steckst du? Ich bin jetzt zuhause, aber du bist nicht hier, und irgendwas stimmt nicht … Moment mal, wo ist denn deine Zahnbürste? Und deine Gesichtscreme? Und … oh verdammt, deine Klamotten? Was ist los, Jess? Ich mache mir Sorgen um dich. Ruf mich bitte an, sobald du diese Nachricht abhörst.«
»Jess, also, das ist nicht mehr witzig. Wenn du dich nicht bald meldest, rufe ich die Polizei an. Weißt du, was für Sorgen ich mir mache? Wie verantwortungslos dein Verhalten ist? Wie … Nein. Okay. Du wirst deine Gründe haben. Aber bitte, Jess, was es auch ist, sag es mir. Ich werde mich bessern. Bitte, ruf mich an. Nur damit ich weiß, dass alles in Ordnung ist mit dir. Ja?«
Meine Unterlippe begann zu zittern, als ich Max’ Stimme hörte. Er klang ganz und gar nicht wie ein Fremder, der mich betrogen hatte; er klang wie mein Max. Mein wunderbarer Max, der sich um mich sorgte und der sich niemals auf irgendeine Frau namens Esther stürzen und mich betrügen würde.
Aber so war es nun mal gewesen, hielt ich mir vor Augen. Er hatte von unserem gemeinsamen Konto Geld an diese Frau überwiesen.
»Jess? Ich bin’s.« Das war Helen. »Ivana meinte, du würdest dich an der Bar mit irgendeinem Typen unterhalten. Stimmt das? Ich seh dich aber nirgendwo. Ruf mich an.«
»Jess.« Max wieder. »Es ist vier Uhr nachts, und du bist noch nicht zuhause. Ich
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