Hauptsache Hochzeit
Schule abgebrochen, weißt du.«
»Ich dachte, du wolltest kein Niemand sein«, sagte ich strenger als beabsichtigt, aber sie schien den Tonfall nicht zu bemerken.
»Ich habe mich verliebt«, sagte sie traurig, und ihre Augen füllten sich wieder mit Tränen. »In einen Mann, der doppelt so alt war wie ich. Er war reich und sah gut aus und versprach, mir die Welt zu Füßen zu legen.«
»Und?«, hakte ich nach.
Sie sah mich an. »Es hat nicht gehalten.« Sie zuckte die Achseln. »Aber er hat mich mit nach London genommen. London!« Ihre Augen leuchteten. »Das war großartig. Die Partys, das Nachtleben, die Leute. So aufregend. Ganz anders als das Dorf, in dem ich aufgewachsen bin.«
»Du meinst das Dorf, in dem wir beide aufgewachsen sind. Ich habe auch da gelebt, falls du dich erinnern kannst.«
Sie nickte vage.
»Und weshalb konnte ich nicht bei dir in London leben?«, fragte ich weiter.
Sie seufzte. »Du warst … ich war noch so jung, Liebling. Jung und naiv.«
Ich nagte an meiner Lippe. »Okay«, sagte ich dann. »Was war ich für dich? Ein Fehler? Etwas, das du vergessen wolltest? Das du bei Großmutter abgestellt hast, damit du in London dein Glamourleben führen konntest?«
Meine Mutter zuckte leicht zusammen. »So war es nicht«, erwiderte sie.
»Wie war es dann? Sag’s mir doch endlich!«
Sie nickte. »Dein Vater«, sagte sie leise. »Er war meine große Liebe. Natürlich arm wie eine Kirchenmaus, aber ich habe ihn dennoch geliebt. Er war Student, als ich ihn auf einer Party kennen lernte – die übrigens ganz grässlich war. Aber durch ihn wurde sie wunderbar.«
Anmutig streckte sie ihre Beine aus und setzte sich ein wenig anders hin; ihre Bewegungen waren so graziös wie die einer Tänzerin. »Als ich dann schwanger wurde, war das ein ziemlicher Schock für uns beide. Er wollte alles richtig machen, aber das ging natürlich nicht – er hatte ja keinen müden Penny, der arme Kerl. Und keinerlei Berufsaussichten, sondern noch ein jahrelanges Studium vor sich. Und ich …«
Ich blickte sie herausfordernd an. »Und du?«
»Ich hatte auch noch andere Freunde«, sagte sie mit einem kleinen Seufzer. »Reiche Freunde, die sich um mich kümmern wollten.«
»Was für Freunde waren das?«
Sie trank den Tee aus und stellte behutsam den Becher ab. »Ich war ein Partygirl«, sagte sie dann zögernd. »Da hat man immer irgendwelche Freunde. Männer, die … sich als großzügig erweisen. Männer, die sich einer Verantwortung nicht entziehen, sondern ihre Hilfe anbieten.«
Es dauerte einen Moment, bis ich kapiert hatte, was sie mir da sagte. »Du meinst, du hast irgendeinem reichen Wohltäter weisgemacht, ich sei sein Kind?«
Meine Mutter lächelte angespannt. »Zuerst hat es funktioniert. Ein sehr netter Mann hat sich gut um mich gekümmert. Um uns beide. Er hat uns eine Wohnung besorgt und hübsche Geschenke für dich gekauft. Aber das
reichte eben nicht. Ein Kind kostet mehr – das hat er leider nicht verstanden …«
»Windeln sind teuer«, warf Helen wissend ein.
»Windeln?« Meine Mutter drehte sich überrascht um. »Ja, das sind sie wohl. Aber was wirklich ins Geld geht, sind Kindermädchen. Ich wollte ja meinen Lebensstil nicht aufgeben. Ich fand das ungerecht.«
»Ungerecht?«, sagte ich. »Wem gegenüber?«
Sie schwieg eine Weile.
»Und was ist dann passiert?«, fragte Helen schließlich.
Meine Mutter holte tief Luft. »Ich war gezwungen, mir Geld zu leihen. Und ich wusste nicht, wie ich es zurückzahlen sollte. Ich wollte das eigentlich nicht, aber er ließ manchmal seine Kreditkarten herumliegen, und …«
»Du hast ihn bestohlen?«, fragte ich entsetzt.
»Ich habe mir etwas geliehen«, stellte sie richtig. »Ich wollte mir das Geld nur leihen . Und ich nahm schließlich an, dass ich es ihm würde zurückzahlen können.«
»Wie denn?«
Meine Mutter blickte unbehaglich. »Ich war jung. Und ich war frustriert«, sagte sie. »Ich hatte nichts zu tun, außer mich um dich zu kümmern. Und du warst kein einfaches Kind, ganz und gar nicht.«
»Und?«
»Ich fing an zu spielen«, sagte sie. »Das konnte ich ziemlich gut. Ich hab tausend Pfund beim Pferderennen gewonnen.«
Ich schüttelte fassungslos den Kopf. »Du hast ihm Geld gestohlen – Verzeihung, es dir geliehen – und die Kohle dann verspielt?«
»Ich wollte es ihm doch zurückzahlen«, betonte meine Mutter indigniert. »Ich wollte für mich selbst sorgen
lernen. Aber er ist eben dahintergekommen. Wir hatten einen
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