Hauptsache Hochzeit
ich spürte, wie Ärger in mir aufstieg.
Max grinste. »Eine Affäre? Du schmeichelst mir, Jess.« Er zwinkerte meiner Mutter zu und sah mich dann ernsthaft an. »Aber das hast du nicht wirklich geglaubt, oder? Du denkst doch wohl nicht, dass ich jemals eine andere Frau gut finden könnte?«
»Nein, nein, natürlich nicht!«, antwortete ich und schüttelte nachdrücklich den Kopf.
»Gut.« Er küsste mich auf den Hals. »Ich könnte nämlich gar nicht ohne dich leben, Jess. Ich bete dich an, das weißt du doch.«
»Ja«, sagte ich leise.
Er seufzte. Als ich mich von ihm löste und ihn ansah, fiel mir auf, wie müde er aussah. »Es tut mir leid, dass ich dich nicht angerufen habe«, sagte ich. »Ich war … ein bisschen durcheinander.«
»Kann ich mir denken«, sagte Max und drückte leicht meine Schulter. »Du hattest eine Menge zu verarbeiten. Aber beim nächsten Mal schick mir doch wenigstens eine SMS, ja? Nur damit ich weiß, dass du okay bist.«
»Es wird nicht noch mal vorkommen«, sagte ich.
»Entschuldige, Esther. Wir haben uns einiges zu erzählen«, sagte Max zu meiner Mutter. Er beugte sich dicht zu mir. »Möchtest du irgendwohin gehen und eine Weile reden?«
Ich nickte dankbar. »Meinst du, das macht ihr was aus?«
Max schüttelte den Kopf. »Esther, ich würde gern mit Jess irgendwo einen Happen essen. Sie hat einiges aufzuholen, meinst du nicht auch?«
»Das ist eine gute Idee. Ich hab fürchterlichen Hunger«, sagte meine Mutter vergnügt. »Wie umsichtig von dir, Max. Und, wo wollen wir hingehen?«
Er wurde etwas verlegen. »Oh, ach so. Du wolltest …«
Das Lächeln meiner Mutter erstarb. »Ihr wolltet mich gar nicht dabeihaben, oder? Ach, wie dumm von mir. Natürlich. Ich gehöre noch nicht dazu, hab ich recht? Ich muss mir meinen Platz wohl erst erarbeiten, nicht wahr?«
Max schüttelte den Kopf. »Nein, Esther. Nein, ich dachte nur … ich meine …« Er sah mich hilflos an.
»Doch, natürlich gehörst du dazu«, sagte ich rasch und versuchte, meine Enttäuschung zu verdrängen. »Es wäre schön, wenn du mitkommen könntest, Mam. Wirklich.«
»Ah, das freut mich sehr.« Meine Mutter strahlte und hakte sich bei uns beiden ein. »Wir haben uns ja alle so viel zu erzählen, nicht wahr?«
Max fragte mit keinem Wort danach, wo ich nachts gewesen war. Er vertraute mir blind. Er legte den Arm um mich, und es schien ihm gar nicht aufzufallen, dass ich ihm nicht richtig in die Augen schauen konnte. Wir gingen zum Brunch zu Browns, einem traditionellen Restaurant
mit dunklen Holztischen und holzgetäfelten Wänden. Ich war mir gar nicht sicher, ob ich überhaupt etwas essen konnte, aber Max und meine Mutter waren so begeistert von der Idee, dass ich meine Zweifel nicht äußerte. Ich bestellte mir pochierte Eier auf einem Brötchen und einen großen Milchkaffee, und während die beiden sich über das furchtbare Wetter unterhielten, versuchte ich, meine Fassung wiederzugewinnen und mich zu beruhigen. Ich ließ die letzten vierundzwanzig Stunden in meinem Kopf Revue passieren.
Ergebnis war jedenfalls, dass die Hochzeitsvorbereitungen fortgesetzt werden konnten. Ich musste schleunigst Giles Bescheid sagen.
Max liebte mich noch immer. Es gab keine Affäre und keine anderen Frauen.
Meine Mutter war nicht tot, sondern quicklebendig.
Ich hatte mit Hugh Barter geschlafen. Vielleicht. Vermutlich.
Ich war die Sorte von Frau, die nicht mal sicher war, ob sie nun mit jemandem geschlafen hatte oder nicht.
Meine Mutter dagegen war offenbar eine Frau, die mit jedem Mann flirten musste.
Dieser letzte Gedanke kam mir ziemlich abrupt in den Sinn, aber ich wusste sofort, dass ich damit den Nagel auf den Kopf traf. Gegenwärtig flirtete sie allen Ernstes in meiner Anwesenheit mit Max. Hatte Ivana nicht gesehen, wie sie ihn an diesem Abend im Restaurant umschlungen hatte? So was taten Mütter für gewöhnlich nicht, und schon gar nicht mit ihren zukünftigen Schwiegersöhnen. Im Moment war der Kellner dran, dem sie die Hand auf den Arm legte, obwohl dazu keinerlei Anlass bestand. Und sie strahlte ihn an.
»Du hast echt weiße Zähne«, sagte ich anklagend. Sie sah mich merkwürdig an und lachte dann.
»Das will ich auch hoffen. Ich gebe schließlich genug Geld für Bleachings aus.«
»Oh«, sagte ich, etwas schockiert über ihre Offenheit. Der Kellner verzog sich, und ich trank einen Schluck Kaffee und holte verstohlen mein Handy heraus, um Giles eine SMS zu schicken.
Hochzeit findet statt.
Weitere Kostenlose Bücher